Erbe haftet für Sturz im Haus des Verstorbenen
Ein Mann verletzte sich bei dem Sturz schwer. Er strengte darauf einen Prozess gegen den Hauserben an. Und bekam nun zum Großteil Recht.
RIED/INNKREIS, LINZ. Es ist ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Linz zu einem konkreten Fall, das wohl Präzedenzcharakter im Hinblick auf ähnlich gelagerte Sachverhalte hat.
Quintessenz: Für die Verletzungsfolgen, die eine Person bei einem Sturz im Haus eines Verstorbenen erleidet, muss der Hauserbe grundsätzlich (mit) haften. Auch dann, wenn der Erbe zum Zeitpunkt des Unglücks offiziell noch gar nicht der Eigentümer des Hauses war.
Im konkreten Fall hatte der Salzburger Wolfgang D., ein Liebhaber historischer Rennautos, 2013 einen Rennmotor zu einem ausgewiesenen Motor-Tuner ins Innviertel gebracht. Er zahlte ihm auch eine Anzahlung für Reparatur plus Tuning des Motors. In der Folge erkrankte der beauftragte Tuner aber schwer. Er starb im Mai 2015. Wolfgang D. fuhr dann im Juni 2015 zum Haus des Verstorbenen, um sich den Motor zurückzuholen. Ein Vertrauter des Verstorbenen ließ ihn ins Haus, das auch einen nicht fertiggestellten Zubau hatte.
Die anschließende Suche nach dem Motor endete für Wolfgang D. fatal: Er brach im ersten Stock des Rohbaus durch ein nur mit dünnen Platten abgedecktes Loch und fiel sechs Meter in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzungen; ein langer Spitalsaufenthalt war die Folge.
Im Februar 2017 brachte Wolfgang D. über seine Salzburger Rechtsanwälte Andreas Schöppl und Klaus Waha Klage beim zuständigen Landesgericht (LG) Ried ein. In dieser forderte D. vom Neffen des Verstorbenen als dessen „logischen Rechtsnachfolger“42.300 Euro Entschädigung (Schmerzensgeld, Therapiekosten etc.). Dem nunmehr Beklagten, der nach dem Tod des Onkels eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatte, war die Verlassenschaft erst am 20. Jänner 2017 zur Gänze eingeantwortet worden.
Die Anwälte des Klägers argumentierten, den Erben treffe volles Verschulden. Die Unfallstelle sei mangelhaft abgesichert gewesen. Auch wenn die Rechtsperson des Verstorbenen mit dessen Tod nicht mehr existiere, sei sie mit allen Rechten und Pflichten auf die Verlassenschaft bzw. den „ruhenden Nachlass“übergegangen. Der Rechtsnachfolger, also der Erbe der Verlassenschaft, hafte daher nicht nur für alle Pflichten des Verstorbenen, sondern auch schon für jene der Verlassenschaft – diese sei nämlich auch eine juristische Person.
Der Erbe wies die Forderungen zurück. Ein Argument seiner Anwälte: Ihr Mandant sei erst mit der offiziellen Einantwortung (gerichtlichen Übergabe) des Erbes Rechtsnachfolger geworden.
Schon in erster Instanz gab dann im Dezember 2017 die zuständige Zivilrichterin dem Kläger grundsätzlich Recht: Der beklagte Erbe sei sehr wohl Rechtsnachfolger des ruhenden Nachlasses und hafte dem Grunde nach für die Unfallschäden – aber, so das Erstgericht, nur zu 50 Prozent. Laut Urteil treffe Wolfgang D. ebenso viel Mitverschulden, da er bei Begehung des Rohbaus die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe. In der Folge legten beide Parteien Berufung beim OLG Linz ein: Wolfgang D. begehrte die Feststellung, dass der Erbe zu 100 Prozent hafte – der Erbe wiederum beantragte die Klagsabweisung.
Das nun vorliegende Berufungsurteil stellt erneut klar fest, dass der Erbe für die Schäden durch den Sturz hafte – und zwar sogar zu 75 Prozent. Laut OLG sei die ruhende Verlassenschaft als juristische Person zur Unfallszeit sehr wohl deliktsfähig gewesen. Der Erbe wiederum folge „als Gesamtrechtsnachfolger der Rechtsposition der Verlassenschaft nach“. Wolfgang D. hingegen hafte zu 25 Prozent, weil er bei der Motorsuche nicht vorsichtig genug agiert habe. Laut den Klägeranwälten Schöppl und Waha ist gegen das OLG-Urteil keine ordentliche Revision zulässig.
„Wir halten das Urteil für eine richtungsweisende Entscheidung.“Klaus Waha, Rechtsanwalt