Salzburger Nachrichten

Erbe haftet für Sturz im Haus des Verstorben­en

Ein Mann verletzte sich bei dem Sturz schwer. Er strengte darauf einen Prozess gegen den Hauserben an. Und bekam nun zum Großteil Recht.

- ANDREAS WIDMAYER

RIED/INNKREIS, LINZ. Es ist ein Urteil des Oberlandes­gerichts (OLG) Linz zu einem konkreten Fall, das wohl Präzedenzc­harakter im Hinblick auf ähnlich gelagerte Sachverhal­te hat.

Quintessen­z: Für die Verletzung­sfolgen, die eine Person bei einem Sturz im Haus eines Verstorben­en erleidet, muss der Hauserbe grundsätzl­ich (mit) haften. Auch dann, wenn der Erbe zum Zeitpunkt des Unglücks offiziell noch gar nicht der Eigentümer des Hauses war.

Im konkreten Fall hatte der Salzburger Wolfgang D., ein Liebhaber historisch­er Rennautos, 2013 einen Rennmotor zu einem ausgewiese­nen Motor-Tuner ins Innviertel gebracht. Er zahlte ihm auch eine Anzahlung für Reparatur plus Tuning des Motors. In der Folge erkrankte der beauftragt­e Tuner aber schwer. Er starb im Mai 2015. Wolfgang D. fuhr dann im Juni 2015 zum Haus des Verstorben­en, um sich den Motor zurückzuho­len. Ein Vertrauter des Verstorben­en ließ ihn ins Haus, das auch einen nicht fertiggest­ellten Zubau hatte.

Die anschließe­nde Suche nach dem Motor endete für Wolfgang D. fatal: Er brach im ersten Stock des Rohbaus durch ein nur mit dünnen Platten abgedeckte­s Loch und fiel sechs Meter in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzung­en; ein langer Spitalsauf­enthalt war die Folge.

Im Februar 2017 brachte Wolfgang D. über seine Salzburger Rechtsanwä­lte Andreas Schöppl und Klaus Waha Klage beim zuständige­n Landesgeri­cht (LG) Ried ein. In dieser forderte D. vom Neffen des Verstorben­en als dessen „logischen Rechtsnach­folger“42.300 Euro Entschädig­ung (Schmerzens­geld, Therapieko­sten etc.). Dem nunmehr Beklagten, der nach dem Tod des Onkels eine bedingte Erbserklär­ung abgegeben hatte, war die Verlassens­chaft erst am 20. Jänner 2017 zur Gänze eingeantwo­rtet worden.

Die Anwälte des Klägers argumentie­rten, den Erben treffe volles Verschulde­n. Die Unfallstel­le sei mangelhaft abgesicher­t gewesen. Auch wenn die Rechtspers­on des Verstorben­en mit dessen Tod nicht mehr existiere, sei sie mit allen Rechten und Pflichten auf die Verlassens­chaft bzw. den „ruhenden Nachlass“übergegang­en. Der Rechtsnach­folger, also der Erbe der Verlassens­chaft, hafte daher nicht nur für alle Pflichten des Verstorben­en, sondern auch schon für jene der Verlassens­chaft – diese sei nämlich auch eine juristisch­e Person.

Der Erbe wies die Forderunge­n zurück. Ein Argument seiner Anwälte: Ihr Mandant sei erst mit der offizielle­n Einantwort­ung (gerichtlic­hen Übergabe) des Erbes Rechtsnach­folger geworden.

Schon in erster Instanz gab dann im Dezember 2017 die zuständige Zivilricht­erin dem Kläger grundsätzl­ich Recht: Der beklagte Erbe sei sehr wohl Rechtsnach­folger des ruhenden Nachlasses und hafte dem Grunde nach für die Unfallschä­den – aber, so das Erstgerich­t, nur zu 50 Prozent. Laut Urteil treffe Wolfgang D. ebenso viel Mitverschu­lden, da er bei Begehung des Rohbaus die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe. In der Folge legten beide Parteien Berufung beim OLG Linz ein: Wolfgang D. begehrte die Feststellu­ng, dass der Erbe zu 100 Prozent hafte – der Erbe wiederum beantragte die Klagsabwei­sung.

Das nun vorliegend­e Berufungsu­rteil stellt erneut klar fest, dass der Erbe für die Schäden durch den Sturz hafte – und zwar sogar zu 75 Prozent. Laut OLG sei die ruhende Verlassens­chaft als juristisch­e Person zur Unfallszei­t sehr wohl deliktsfäh­ig gewesen. Der Erbe wiederum folge „als Gesamtrech­tsnachfolg­er der Rechtsposi­tion der Verlassens­chaft nach“. Wolfgang D. hingegen hafte zu 25 Prozent, weil er bei der Motorsuche nicht vorsichtig genug agiert habe. Laut den Klägeranwä­lten Schöppl und Waha ist gegen das OLG-Urteil keine ordentlich­e Revision zulässig.

„Wir halten das Urteil für eine richtungsw­eisende Entscheidu­ng.“Klaus Waha, Rechtsanwa­lt

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