Junge Produzenten lassen im Musikum die Synthies glühen
Die Klasse für Elektronische Musik bereitet sich auf den ersten Vorspielabend vor. Harald Freundlinger arbeitet mit jungen Musik-Nerds an der professionellen Erzeugung von Beats und Bässen.
SALZBURG. Das Musikum, ein heiliger Ort der Klänge. Mütter tragen ihren Töchtern den Geigenkasten hinterher. Aus einem Zimmer tönen Klavieretüden. Hinter einer unscheinbaren Tür aber verbirgt sich ein Hort der Subversion. Hier wird an Beats und Bässen gebastelt und an den Reglern geschraubt – in der österreichweit einzigartigen Klasse für die elektronische Musik.
Acht Schüler lernen hier den Umgang mit Synthesizern, Soundpads und Mastering-Tools. Einer davon ist Lukas Berger. „Ich würde später gern in einem Tonstudio arbeiten. Um die Aufnahmeprüfung für die Fachhochschule in Urstein zu bestehen, ist das hier die perfekte Vorbereitung“, sagt der 20-Jährige. Sein Hauptaugenmerk gilt dem Genre „Progressive Melodic House“, die Tracks lassen Gespür für Eingängiges à la Avicii erkennen.
Kilian Kofler interessiert sich hingegen für die schweren Bässe des Dubstep-Kosmos. Der Schüler des SSM Akademiestraße verbringt schon mal das ganze Wochenende vor dem Computer, um seine Soundvisionen umzusetzen. „Mein Ziel ist, diesen einen geilen Track zu produzieren, der Aufmerksamkeit erregt“, sagt der 18-Jährige.
Einig sind sich die beiden Musikproduzenten – neudeutsch: Producer – in der Inspiration, die das „Electric Love“-Festival in Hof bei Salzburg alljährlich bietet. Und in der Hoffnung, einmal dort ihre Musik vor Tausenden Tanzwütigen präsentieren zu können. Auf Spotify ist Lukas bereits aktiv. Der Musikstreamingdienst bietet jungen Produzenten die Möglichkeit, ihre Musik weiterzuverbreiten.
Harald Freundlinger hat die beiden jungen Elektronik-Freaks unter seine Fittiche genommen. Seit 2016 leitet der 50-Jährige diese Klasse, die mit der klassischen elektronischen Avantgarde rund um Karlheinz Stockhausen oder Luigi Nono nicht viel zu tun hat. „Bei uns steht die Tanzmusik im Vordergrund“, betont er.
Dabei hat Freundlinger eine Ausbildung als klassischer Pianist. Die Interessenverlagerung von Beethoven-Sonaten zu BeatGewittern hat Zeit gedauert, erzählt der Professor: „Ich habe im Gymnasium sieben Jahre lang unterrichtet. Irgendwie wollte ich aber etwas Neues machen.“Freundlinger gründete eine Sounddesignfirma, vertonte Kinofilme und landete schließlich im Musikum. Dort unterrichtet er Jazz-Klavier, bis er zunächst in Hallein und ein Jahr später in der Stadt Salzburg seine Vision von einer eigenen Elektronik-Klasse verwirklichen konnte. „Es war ein langer Prozess bis dorthin“, sagt er.
Nun stapelt der Elektro-Lehrer in seinem kleinen Studio analoge Synthesizer neben digitalen Nachbauten des legendären Roland TB-303 oder dem AbletonSoundpad, das mit dem gleichnamigen Computer-Sequenzer verbunden wird. „Man lernt bei uns Mastering und Arrangement. Der Producer agiert wie ein Dirigent“, sagt der Vollblutmusiker. Die „Elektroniker“seien oftmals die Letzten, die das Musikum abends verlassen: „Bei uns dauert der Unterricht manchmal einfach zwei Stunden und länger.“
Am Ende des Semesters präsentieren die Schüler ihre Tracks erstmals live – ein Vorspielabend der etwas anderen Art. Schauplatz ist das MARK.freizeit.kultur, ein beliebter Treffpunkt für Freunde elektronischer Musik. Die Musikum-Schüler decken die Bandbreite an diesbezüglichen Spielarten gekonnt ab: von entspanntem „Trap“-Sound über diverse House-Richtungen bis hin zum schnellen Drum and Bass.
Das Potenzial der Elektroniker hat auch eine weitere Salzburger Kultur-Institution erkannt: Das Salzburg Museum lässt sich von Freundlingers Klasse eine Soundcollage für die StilleNacht-Ausstellung im Herbst produzieren. Die Nerds aus dem Mini-Studio sind nicht aufzuhalten.
Live: Music(Room). 1-2-3- Electricity. Konzert der Klasse für Elektronische Musik. MARK.freizeit.kultur, Hannakstraße 17, 15. Juni, 20 Uhr.
„Bei uns steht die Tanzmusik im Vordergrund.“Harald Freundlinger, Lehrer