Wetterextreme kosten die Landwirtschaft Millionen
Hagel und Überflutungen im Süden Österreichs, Dürre in Teilen Salzburgs und Oberösterreichs: Die Schäden liegen bei mehr als 15 Mill. Euro. Der Klimawandel hat unterschiedliche Folgen.
Die Launen des Wetters halten Österreich weiter fest im Griff: Auch Mittwochnachmittag brachten heftige Unwetter in Teilen Niederösterreichs und des Burgenlands Hagel und Überflutungen. Aus der Steiermark werden fast täglich neue Unwetterschäden in Millionenhöhe gemeldet:. Obst, Gemüse und Ackerkulturen wie Mais und Kürbis – Tausende Hektar sind zerstört. Der Schaden in der Landwirtschaft beträgt laut Hagelversicherung heuer bereits mehr als 15 Mill. Euro. Nicht eingerechnet sind die Folgen der mittlerweile teils massiven Dürre in Teilen Salzburgs und Oberösterreichs. Im Mai hat es in manchen Regionen nur 20 Prozent der sonst üblichen Menge geregnet. 85 Prozent der Bauern sind mittlerweile gegen Hagel, Dürre und Frost versichert. Die Konsumenten könnten die häufiger werdenden Wetterextreme dennoch mittelfristig über höhere Lebensmittelpreise bezahlen müssen, etwa bei Produkten, die fast ausschließlich aus heimischer Produktion stammen, wie Äpfeln und Kartoffeln. Ob der Kli- mawandel generell zu höheren Preisen führen wird, darauf gibt es zwei höchst widersprüchliche Antworten: Zum einen macht die Erwärmung bisher wenig ergiebige Regionen viel ertragreicher. Zum anderen führen Extreme wie Hagel oder Dürre zu Produktionsengpässen – und damit tendenziell zu steigenden Preisen.
SALZBURG. Allein aus der Steiermark meldet die Hagelversicherung derzeit fast täglich Schäden in Millionenhöhe. Ob Obst, Gemüse oder Ackerkulturen wie Mais, Soja und Kürbis, Tausende Hektar seien durch Hagel, Starkregen oder Überflutungen zerstört. „Insgesamt liegt der Schaden in der Landwirtschaft im heurigen Jahr bereits bei mehr als 15 Millionen Euro“, sagt Mario Winkler von der Hagelversicherung. Denn neben den jüngsten Unwettern, vor allem im Süden Österreichs, hat durch die Trockenheit im Frühling auch eine Schädlingsplage durch den Rüsselkäfer große Teile der Zuckerrübensaat zerstört. „Die Folgen der mittlerweile teils massiven Dürre in Teilen Salzburgs und Oberösterreichs sind in den Zahlen noch gar nicht eingerechnet, weil Dürreschäden erst nach einem längeren Zeitraum ausbleibender Niederschläge gemeldet werden können“, erklärt Winkler.
Und die fehlenden Niederschlagsmengen sind beträchtlich: Während es in der südlichen Steiermark im Mai um 75 Prozent mehr geregnet habe als im Durchschnitt der vergangenen Jahre, sei etwa der Großraum Linz gerade auf 15 Prozent der sonst üblichen Menge gekommen, sagt Thomas Wostal von der Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG). Auch in Braunau und Ranshofen erreichte man gerade 20 Prozent des normalen Niederschlags, 27 Prozent waren es in St. Wolfgang, 39 Prozent in Mattsee.
„Gerade im nördlichen Flachgau ist der zweite Grasschnitt in der Viehwirtschaft großteils komplett ausgefallen“, sagt Salzburgs Landwirtschaftskammerpräsident Franz Eßl. Viele Bauern warten dringend auf Regen. „Von Krise wollen wir derzeit noch nicht reden, denn abgerechnet wird zum Glück erst im Herbst“, meint Eßl. Komme jetzt optimales Wetter, könne man beim Anlegen des Wintervorrats viel nachholen. Wenn nicht, müsse man freilich Futter zukaufen oder – weil das zu teuer kommt – den Viehbestand reduzieren.
Schwerer auszugleichen ist der fehlende Regen für viele Ackerbauern in Oberösterreich. „Sowohl bei den Kulturen, die bereits im Herbst ausgesät wurden, als auch bei der Frühjahrssaat erwarten wir heuer deutlich niedrigere Erträge“, sagt Günther Rohrer, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer. Auch er sieht durch die Dürre noch keine Katastrophe. „Jeder Regen, der bald kommt, hilft extrem.“
Mehr Sorgen bereiten die Unwetter im Süden Österreichs. „Ruhe ist derzeit noch keine in Sicht, und eigentlich hat die Unwettersaison gerade erst begonnen“, sagt Winkler von der Hagelversicherung. Der Höhepunkt stehe normalerweise erst im Juli bevor.
Österreichweit sind mittlerweile 85 Prozent der Bauern gegen Wetterextreme versichert. Im Einzelnen gebe es große Unterschiede je nach Ackerkultur, erklärt Winkler, gegen Hagel seien mehr Bauern versichert, gegen Dürre etwas weniger. Die Zahl der Versicherten jedenfalls steigt Jahr für Jahr, zum einen durch zunehmende Wetterextreme, zum anderen durch mehr Förderung. Seit zwei Jahren zahlen nicht nur bei Hagel, Sturm, Frost und Überflutung Bund und Länder den Bauern die Hälfte der Versicherungsprämie, sondern auch bei Dürre. Dass die Schäden in der Landwirtschaft durch den Klimawandel steigen, steht für die Hagelversicherung außer Zweifel: „Wenn es keinen massiven Spätfrost gibt, dann gibt es frühzeitig Hagel.“
Ähnlich beurteilt es Franz Sinabell, der Landwirtschaftsexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. „Was auffällt, ist, dass zuletzt in jedem Jahr zumindest ein Produktionszweig in Österreich massiv durch Wetterextreme betroffen ist“– etwa Obst durch den Spätfrost oder Ackerpflanzen durch Dürre. „In der Häufung haben wir das früher nicht verzeichnet.“Auf die Preisentwicklung bei Obst und Gemüse hätten regionale Ereignisse wie der Hagel im Süden Österreichs oder die Dürre im Norden keinen Einfluss. „Auch wenn es für den einzelnen Bauern eine Katastrophe ist, die Preise am Markt reagieren erst, wenn es europaweit oder gar weltweit Ernteausfälle gibt.“Es gebe freilich Ausnahmen: Etwa wenn Produkte wie Äpfel oder Kartoffeln fast ausschließlich aus heimischer Produktion gekauft würden.
Ob der Klimawandel generell zu höheren Lebensmittelkosten führen werde, darauf gebe es derzeit zwei höchst widersprüchliche Antworten, sagt Sinabell. „Studien zeigen klar, dass durch die Erwärmung bisher wenig ertragreiche Regionen deutlich ertragreicher werden.“Auf der anderen Seite aber würden nicht vorhersehbare Wetterextreme wie Hagel, Dürre oder Überflutung zu deutlichen Produktionsengpässen führen – und damit tendenziell zu steigenden Preisen.
„Klimawandel wirkt sich vielfältig aus.“Franz Sinabell, Wirtschaftsforscher