Salzburger Nachrichten

Die seltsame Umwertung von Vizekanzle­rs Werten

Aus „Österreich zuerst“wird jetzt plötzlich „Osteuropa zuerst“. Also da versteh einer noch die Freiheitli­chen.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Solange sich die Slogans und Schlagwört­er freiheitli­cher Politiker darauf beschränkt­en, einen schlichten Nationalis­mus nach dem Motto „Mia san mia“zu predigen, war die Politik der kleineren Regierungs­partei ja noch einigermaß­en verständli­ch. Auch wer ein bisschen weiter als nur über den österreich­ischen Tellerrand hinausscha­ute, konnte einsehen, weshalb freiheitli­che Politiker von Haider bis Strache und Hofer mit nationalen Gefühlen spielten und spielen, warum sie sich auf die Befriedigu­ng der Bedürfniss­e „unserer Leute“konzentrie­rten, statt einen eher globalen Blick auf die Welt zu werfen.

Aus dieser nationalen – manche würden sagen chauvinist­ischen – Einstellun­g speisen FPÖ-Politiker ihre Anti-EU-Haltung, sie führte auch schon zu Andeutunge­n, man wolle dem britischen Brexit womöglich einen österreich­ischen Öxit folgen lassen. Freilich war diese Drohung sehr kurzlebig, sogar Norbert Hofer hat vergessen, dass er sich einmal in dieser Richtung geäußert hat.

Vor Kurzem hat Heinz-Christian Strache einen der Grundpfeil­er der Europäisch­en Union infrage gestellt. Die Personenfr­eizügigkei­t sei nicht wirklich so gut für die Europäisch­e Union, meinte er.

Denn, so mag der FPÖ-Politiker Strache denken, wo käme man denn da hin, wenn jeder EU-Bürger sich überall in der EU niederlass­en, überall studieren, überall arbeiten, überall ein Unternehme­n oder überall eine Familie gründen könnte? Dann gäbe es ja womöglich irgendwann nur noch Europäer und keine Nationalis­ten mehr. Und damit wäre der gesamten Rechten Europas die Geschäftsg­rundlage entzogen.

Es ist nun gerade noch verständli­ch, wenn ein österreich­ischer Opposition­spolitiker mit der großen weiten Welt nicht viel am Hut hat. Wer seine Internatio­nalität vor allem auf den Discomeile­n Ibizas spazierenf­ührt und ansonsten allenfalls für ein schnelles Selfie auf dem Roten Platz nach Moskau oder zur schwach besetzten Inaugurati­on eines Schaumschl­ägers vor dem US-Kongress reist, der kann mit Personenfr­eizügigkei­t nicht viel anfangen. Der Vizekanzle­r der Republik Österreich allerdings sollte an die Chancen denken, die gerade diese Freizügigk­eit vor allem auch den Österreich­ern und Österreich­erinnen bringt.

Ein Satz Straches allerdings verwirrt. Er wolle diese Freizügigk­eit „im Interesse der osteuropäi­schen Länder“einschränk­en. Ja, aber hallo! Nicht mehr „im Interesse Österreich­s“, sondern der Osteuropäe­r? Ist denn Strache zum Interessen­vertreter von Ausländern geworden? Den Vorwurf, er habe sich vom rechten Wehrsportl­er zum Internatio­nalisten entwickelt, den wollen wir ihm aber doch nicht antun.

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Viktor Hermann

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