Die seltsame Umwertung von Vizekanzlers Werten
Aus „Österreich zuerst“wird jetzt plötzlich „Osteuropa zuerst“. Also da versteh einer noch die Freiheitlichen.
Solange sich die Slogans und Schlagwörter freiheitlicher Politiker darauf beschränkten, einen schlichten Nationalismus nach dem Motto „Mia san mia“zu predigen, war die Politik der kleineren Regierungspartei ja noch einigermaßen verständlich. Auch wer ein bisschen weiter als nur über den österreichischen Tellerrand hinausschaute, konnte einsehen, weshalb freiheitliche Politiker von Haider bis Strache und Hofer mit nationalen Gefühlen spielten und spielen, warum sie sich auf die Befriedigung der Bedürfnisse „unserer Leute“konzentrierten, statt einen eher globalen Blick auf die Welt zu werfen.
Aus dieser nationalen – manche würden sagen chauvinistischen – Einstellung speisen FPÖ-Politiker ihre Anti-EU-Haltung, sie führte auch schon zu Andeutungen, man wolle dem britischen Brexit womöglich einen österreichischen Öxit folgen lassen. Freilich war diese Drohung sehr kurzlebig, sogar Norbert Hofer hat vergessen, dass er sich einmal in dieser Richtung geäußert hat.
Vor Kurzem hat Heinz-Christian Strache einen der Grundpfeiler der Europäischen Union infrage gestellt. Die Personenfreizügigkeit sei nicht wirklich so gut für die Europäische Union, meinte er.
Denn, so mag der FPÖ-Politiker Strache denken, wo käme man denn da hin, wenn jeder EU-Bürger sich überall in der EU niederlassen, überall studieren, überall arbeiten, überall ein Unternehmen oder überall eine Familie gründen könnte? Dann gäbe es ja womöglich irgendwann nur noch Europäer und keine Nationalisten mehr. Und damit wäre der gesamten Rechten Europas die Geschäftsgrundlage entzogen.
Es ist nun gerade noch verständlich, wenn ein österreichischer Oppositionspolitiker mit der großen weiten Welt nicht viel am Hut hat. Wer seine Internationalität vor allem auf den Discomeilen Ibizas spazierenführt und ansonsten allenfalls für ein schnelles Selfie auf dem Roten Platz nach Moskau oder zur schwach besetzten Inauguration eines Schaumschlägers vor dem US-Kongress reist, der kann mit Personenfreizügigkeit nicht viel anfangen. Der Vizekanzler der Republik Österreich allerdings sollte an die Chancen denken, die gerade diese Freizügigkeit vor allem auch den Österreichern und Österreicherinnen bringt.
Ein Satz Straches allerdings verwirrt. Er wolle diese Freizügigkeit „im Interesse der osteuropäischen Länder“einschränken. Ja, aber hallo! Nicht mehr „im Interesse Österreichs“, sondern der Osteuropäer? Ist denn Strache zum Interessenvertreter von Ausländern geworden? Den Vorwurf, er habe sich vom rechten Wehrsportler zum Internationalisten entwickelt, den wollen wir ihm aber doch nicht antun.