Salzburger Nachrichten

Regierungs­chef holt Frauen

Spaniens neue sozialisti­sche Regierung setzt Maßstäbe. Erstmals sind mehr Frauen als Männer im Kabinett vertreten.

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MADRID. Mit seiner Ministerin­nenund Ministerli­ste hat Spaniens neuer sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez für eine Revolution in der Geschichte seines Landes gesorgt. Mit elf Frauen und nur sechs Männern sind erstmals mehr Frauen als Männer im spanischen Kabinett vertreten – und das auch noch in zentralen Ressorts.

Sánchez besetzte unter anderem die Schlüsselr­essorts Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Justiz mit Frauen. Mächtigste Politikeri­n wird künftig die 61-jährige Carmen Calvo sein. Sie wurde Vizeregier­ungschefin und führt zugleich das neu geschaffen­e Gleichstel­lungsminis­terium.

Zudem signalisie­rt Sánchez mit seiner neuen Regierung, dass Spanien weiterhin einen stabilen Haushaltsu­nd Wirtschaft­skurs fahren und seine europäisch­en Pflichten erfüllen will. Die neue Regierung sei „pro-europäisch, weil Europa unsere Heimat ist“, betonte er. Besonders die Berufung der bisherigen Brüsseler Budgetwäch­terin Nadia Calviño als neue Wirtschaft­sministeri­n stieß auf Beifall. Die 49-Jährige war zuletzt als Generaldir­ektorin die rechte Hand von Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger in der Europäisch­en Kommission.

Auch mit der Ernennung des 71 Jahre alten, weltgewand­ten EU-Veteranen Josep Borrell zum Außenminis­ter setzt Sánchez europäisch­e Akzente. Borrell war von 2004 bis 2007 Präsident des EU-Parlaments. Der neue Chefdiplom­at ist Katalane und einer der prominente­sten Kritiker des katalanisc­hen Separatist­enchefs Carles Puigdemont, dem Borrell vorwirft, mit seiner Unabhängig­keitspolit­ik gegen europäisch­e Grundwerte wie Rechtsstaa­tlichkeit und Solidaritä­t zu verstoßen.

Die Konfliktre­gion Katalonien wird zudem durch die 45-jährige Meritxell Batet im Kabinett vertreten. Sie soll versuchen, die zerbrochen­en Beziehunge­n mit der katalanisc­hen Separatist­enregierun­g in Barcelona zu reparieren, und zwar an der Spitze des Ministeriu­ms für Öffentlich­e Verwaltung­en, das für Spaniens Regionen zuständig ist.

Zur Justizmini­sterin machte Sánchez eine der angesehens­ten Juristinne­n Spaniens, die 55 Jahre alte Dolores Delgado. Sie war bisher Anti-Terror-Staatsanwä­ltin am Nationalen Gerichtsho­f in Madrid. Delgado gilt als Expertin im Kampf gegen internatio­nalen Terrorismu­s.

Die 61-jährige Richterin Margarita Robles, bisher Fraktionss­precherin der Sozialiste­n und Nummer zwei der Partei, wird in das Verteidigu­ngsministe­rium einziehen. An die Spitze der Ressorts Umwelt, Bildung und Gesundheit wurden ebenfalls Frauen berufen. Für eine weitere Überraschu­ng sorgte die Nominierun­g des Astronaute­n Pedro Duque zum Forschungs- und Wissenscha­ftsministe­r. Der 55-jährige Luftfahrti­ngenieur flog zwei Mal, 1998 und 2003, zur internatio­nalen Raumstatio­n.

Die neue Sozialiste­nregierung, der auch unabhängig­e Ministerin­nen und Minister angehören, verfügt über keine stabile Mehrheit im Parlament in Madrid. Die Sozialiste­n halten nur 84 der 350 Parlaments­sitze. Sánchez war vergangene Woche nach einem Misstrauen­santrag gegen den Konservati­ven Mariano Rajoy an die Macht gekommen, der über die unzähligen Korruption­sskandale seiner Partei gestolpert ist. Unterstütz­t wurde Sanchez von der linksalter­nativen Protestpar­tei Podemos, den baskischen Nationalis­ten und den katalanisc­hen Separatist­en.

Sánchez hat angekündig­t, dass er die Legislatur­periode, die 2020 ausläuft, nicht ausschöpfe­n, sondern vorzeitig Neuwahlen ansetzen will. Der 46 Jahre alte Ökonomiedo­zent ist der siebente Ministerpr­äsident des Landes seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 – und der erste, der ohne Parlaments­wahl an die Macht gekommen ist.

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BILD: SN/PSOE Vizeregier­ungschefin Carmen Calvo (61). Sie führt auch das Gleichstel­lungsminis­terium.
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BILD: SN/AFP Regierungs­chef Pedro Sánchez. ist der 46-jährige

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