Salzburger Nachrichten

Einem großen Lebensirrt­um auf die Spur kommen

- Lena

WIEN. Absoluthei­t ist eine beruhigend­e Sache. Es tut gut, auf der richtigen Seite zu stehen und zu wissen, woran man ist. In der israelisch-österreich­ischen Koprodukti­on „Das Testament“verliert allerdings einer, der sich sicher wähnte, den Boden unter den Füßen.

Der Mittvierzi­ger Yoel Halberstam (gespielt von Ori Pfeffer) ist Holocaust-Historiker. Er erforscht die Umstände eines lang vertuschte­n Massenmord­es an ungarische­n Juden 1945 im fiktiven österreich­ischen Lendsdorf nahe Graz, ein Fall, der lose an das Massaker im März 1945 im burgenländ­ischen Rechnitz angelehnt ist. Yoel sucht nach Hinweisen für das Massengrab. Die Zeit drängt, denn der Bürgermeis­ter des Orts will den Bau eines Einkaufsze­ntrums vorantreib­en und daher keine weiteren Grabungen genehmigen.

Im Zuge der Recherchen und im Gespräch mit Zeitzeugen entdeckt Halberstam, der sein Selbstvers­tändnis als orthodoxer Jude und Sohn von Holocaust-Überlebend­en sehr ernst nimmt, ein persönlich­es Geheimnis: Seine Mutter Fania, angeblich österreich­ische Jüdin, lebt unter falscher Identität.

Halberstam ist in seinen Grundfeste­n erschütter­t. Sein Rabbi sagt ihm, er solle die Angelegenh­eit auf sich beruhen lassen, doch als Historiker ist Halberstam überzeugt, dass es nicht darum geht, was man sich für eine Geschichte zurechtleg­t, sondern immer nur um Fakten: „Ich glaube an kein Narrativ. Die Wahrheit ist absolut!“

„Das Testament“, das Regiedebüt von Amichai Greenberg, ist nicht nur als subtiler Thriller in Sachen Identität und Selbstfind­ung sehenswert, sondern auch aufgrund der Frage, wie mit Geschichte umzugehen ist und umgegangen wird. „Das Testament“verdeutlic­ht drastisch, wie wenig vergangen die Vergangenh­eit in Wahrheit immer noch ist.

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