Aus zwei Städten mach eine
In der Steiermark fusionieren Bärnbach und Voitsberg zu einer Kommune mit 15.000 Einwohnern. Die Bürgermeister sind vom Erfolg überzeugt. Doch solche Vorhaben bergen auch Gefahren.
WIEN. Die beiden weststeirischen Städte Voitsberg und Bärnbach werden fusionieren. Das verkündeten die beiden Bürgermeister am Mittwoch. Voitsberg mit mehr als 9400 Einwohnern sowie Bärnbach mit rund 5600 Bewohnern werden künftig zusammen die fünftgrößte Stadt der Steiermark sein. Die Frage ist nun: Wozu war das notwendig?
Aus Sicht der künftigen Großkommune Voitsberg-Bärnbach überwiegen die Vorteile, meinen zumindest die Bürgermeister: plus zwei Millionen Euro pro Jahr für die gemeinsame Stadtkassa. Denn ab 10.000 Einwohnern gibt es mehr Geld aus dem Finanzausgleich. Überdies ergäben sich auch Synergieeffekte in Verwaltung, Raumplanung, beim öffentlichen Verkehr und in der Daseinsvorsorge.
In Österreich geht man seit jeher davon aus, dass Gemeindezusammenlegungen einen positiven Effekt zeitigen. Laut Statistik Austria gab es 1961 noch 3999 Gemeinden. 1981 waren es nur mehr 2300. Besonders stark war der Rückgang in Niederösterreich, wo nach mehreren Fusionswellen 558 von 1652 Gemeinden übrig blieben. Der bisher letzten fielen in der Steiermark 252 Gemeinden zum Opfer.
Die Wissenschaft zweifelt am Nutzen von Zusammenlegungen. Eine Studie der Universitäten Luzern und St. Gallen habe für die Schweiz gezeigt, dass bei Gemeindefusionen „keine systematischen Spareffekte erkennbar“waren. Heimische Experten gehen davon aus, dass diese These auch auf Österreich übertragbar sei, sind doch die Schweizer Kommunen ähnlich kleinteilig strukturiert. Für Voitsberg und Bärnbach heißt das: Wenn man finanziell profitieren möchte, muss vor allem im Verwaltungsapparat kräftig eingespart werden.
Ganz entscheidend für ein kommunales Miteinander ist allerdings die Zustimmung der Bevölkerung. Die beiden weststeirischen Städte haben freiwillig zueinandergefunden. „So etwas muss immer möglich sein. Auch wenn ich den Grundsatz vertrete: Kooperation statt Fusion“, betont Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. Er wird auch nicht müde, die Abschaffung des Berechnungsschlüssels nach der Einwohnerzahl zu fordern. „Das ist ein Relikt aus der Zeit des Wiederaufbaus. Jeder Bürger ist gleich viel wert.“
Freiwillig haben in Österreich bis dato jedoch nur wenige Gemeinden fusioniert. Johannes Pressl ist Bürgermeister von Ardagger im niederösterreichischen Mostviertel. Die 3500-Einwohner-Kommune ist ein Produkt der Zusammenlegung von vier Gemeinden. 1971 mussten Stephanshart, Ardagger Markt, Ardagger Stift und Kollmitzberg zusammenwachsen, obwohl sie das gar nicht wollten. Vier Kirchen, vier Musikvereine, vier Ortskerne. Kaum Gemeinsamkeiten. Vier Dörfer wurden zu Katastralgemeinden degradiert. „Damals wurde das von oben verordnet. Die Bevölkerung war in keiner Weise eingebunden. Aber in den Gemeinderäten hat es sich ziemlich abgespielt.“
Zwei Jahrzehnte lang brodelte der Konflikt unter der Oberfläche, bis er Anfang der 1990er-Jahre ausbrach. Die Gemeinde war finanziell schwer angeschlagen, stand sogar vor der Pleite. Da platzte vielen der ungefragt Fusionierten der Kragen.
„Emotion und Identität spielen eine ganz große Rolle, auch dann, wenn der Rechenstift eigentlich zu gemeinsamem Tun rät“, sagt Pressl. Für ihn ist es unverzichtbar, dass es einen Prozess des Zusammenwachsens gibt, bevor man den letzten Schritt der Zusammenlegung wagt. „Es gab lediglich Versprechungen, dass man eine gemeinsame Hauptschule bekommt oder Hochwasserschutz. Das war schon erstrebenswert.“
Allerdings habe es keinerlei Strategien gegeben, wie man die Identitäten der vier Gemeinden unter einen Hut bekommt. „Dabei hat sich an den Ortsstrukturen nichts verändert. Wir haben immer noch vier Kirchen, vier Musikvereine und vier Ortskerne. Sogar vier Kindergärten.“
Die Schlüssel für ein friedliches und auch finanziell ausbalanciertes Miteinander seien Dorferneuerung und Wertschätzung. Reich sei seine Gemeinde auch heute nicht, meint Bürgermeister Pressl. „Wir haben kein Freibad oder Hallenbad. Ähnlich große Gemeinden haben das sehr wohl.“Und für ein Kulturprogramm oder die Gestaltung öffentlicher Plätze fehle das Geld.
Was es jedoch gebe, sei Vertrauen. „Es geht nur dann, wenn keiner fürchten muss, dass er über den Tisch gezogen wird.“
„Identität spielt eine große Rolle.“Johannes Pressl, Bürgermeister