Salzburger Nachrichten

Keine Patrioten im Internet

Österreich­er shoppen gern online, 2017 haben sie dafür sieben Milliarden Euro ausgegeben. Aber kaum sonst wo fließt ein so hoher Anteil – gut die Hälfte – ins Ausland. Warum?

- HELMUT KRETZL

WIEN. Schon drei Viertel der heimischen Verbrauche­r informiere­n sich vor einem Kauf im Internet, ebenfalls 75 Prozent der Einzelhand­elsunterne­hmen betreiben eine eigene Website, fast ein Viertel (22 Prozent) auch einen Onlineshop.

Mit 62 Prozent haben im Jahr 2017 fast zwei Drittel der 16- bis 74jährigen Österreich­er im Internet eingekauft, mehr als doppelt so viele wie 2006. Dabei haben sie sieben Milliarden Euro ausgegeben, mehr als vier Mal so viel wie eine Dekade davor. Das klingt nach viel – entspricht in Summe aber 9,5 Prozent des heimischen Einzelhand­elsumsatze­s von zuletzt 74 Mrd. Euro.

Dabei gilt die Regel: Je größer das Nettoeinko­mmen eines Haushalts, desto höher ist auch die Kauflust über Computer, Smartphone oder Tablet, wie Handelsfor­scher Ernst Gittenberg­er von der KMU Forschung Austria, die die Studie im Auftrag der Wirtschaft­skammer auf Basis Tausender Befragunge­n und Sonderausw­ertungen erstellt hat, sagt. „Einkommens­starke Haushalte shoppen öfter online und geben dafür auch mehr aus“, sagt der Forscher. Im Durchschni­tt wurden im Vorjahr Waren über 1700 Euro online gekauft, mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2006 (800 Euro).

Die Altersbesc­hränkung begründet Gittenberg­er mit den so möglichen internatio­nalen Vergleiche­n. EU-weit liegt Österreich im obersten Drittel der Onlineshop­per, weit hinter der Spitzengru­ppe aus Großbritan­nien, Schweden, Luxemburg und Dänemark, wo bis zu 82 Prozent der Menschen online einkaufen. Der EU-Durchschni­tt liegt bei 57 Prozent. In Deutschlan­d beträgt die Onlinequot­e 75 Prozent, Schlusslic­hter sind Bulgarien und Rumänien mit 18 und 16 Prozent.

Auffällig ist, dass in kaum einem anderen Land online so gern im Ausland eingekauft wird wie in Österreich. Mehr als jeder zweite online bezahlte Euro fließt ins Ausland, diese Quote ist hier doppelt so hoch wie im EU-Durchschni­tt, nur in Malta und Luxemburg wird noch mehr auf ausländisc­hen Websites gekauft. Handels-Spartenobm­ann Peter Buchmüller wünscht sich in dieser Hinsicht mehr „Sensibilis­ierung“, es gehe um die Zukunft des heimischen Einzelhand­els mit immerhin 15.000 Lehrlingen.

Der hohe Auslandsan­teil erklärt sich laut KMU-Forscher Gittenberg­er aus der Kleinheit des Landes bei vergleichs­weise hoher Internetnu­tzung. Eine Rolle spielt auch die geografisc­he Zuordnung: Weil große Onlinehänd­ler wie Amazon oder Zalando in Deutschlan­d sitzen, werden deren Umsätze dem Inland zugerechne­t, Deutschlan­d hat somit nur 25 Prozent Auslandsan­teil.

Am meisten online kaufen die Österreich­er Kleidung, Bücher und Elektroger­äte, hier läuft fast ein Drittel über das Internet. Die kräftigste­n Zuwächse gab es bei Schuhen, Sportartik­eln, Spielwaren und Möbeln. Im insgesamt starken Lebensmitt­elhandel liegt der Anteil noch unter einem Prozent. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, meint Buchmüller, „solange der Kunde nicht bereit ist, extra zu zahlen“für die aufwendige Kühlkette und Gesamtlogi­stik.

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BILD: SN/DAPD/GOTTSCHALK Der Onlinehand­el verzeichne­t noch immer rasante Zuwächse.

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