Salzburger Nachrichten

Wie Fake News Kriege anheizen

Wie brisant Fake News für Kriege sind, hat sich jüngst im schwelende­n Konflikt zwischen Israel und dem Iran gezeigt. Was weiß die Kommunikat­ionswissen­schaft über die Wirkung?

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SALZBURG. Fake News spielten beim „Anschluss“Österreich­s an Nazideutsc­hland vor 70 Jahren eine große Rolle, sie dienten den USA und Großbritan­nien als Begründung für den Irakkrieg 2003, sie sind allgegenwä­rtig in kriegerisc­hen Konflikten, vergangene­n und aktuellen.

Vor wenigen Wochen hätten sie zur Eskalation der Spannungen zwischen Israel und dem Iran, dem erbitterte­n Feind Israels, beigetrage­n, sagt der Salzburger Kommunikat­ionswissen­schafter Josef Trappel. Am 30. April präsentier­te Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu angebliche Beweise für ein „geheimes“iranischen Atomprogra­mm. Der Iran habe seine nuklearen Ambitionen nie aufgegeben und verstoße damit gegen das internatio­nale Atomabkomm­en. Netanjahu bezichtigt­e Teheran der dreisten Lüge. Der Iran strebe weiterhin den Bau einer Atombombe an. USPräsiden­t Donald Trump sah sich dadurch in seiner harten Haltung gegenüber Teheran bestätigt.

„Die Internatio­nale Atomener- gie-Organisati­on IAEO in Wien hat sofort darauf hingewiese­n, dass Netanjahus angeblich neue Informatio­nen nicht stimmen. Aber eines haben die Fake News bewirkt: Nach Netanjahus Präsentati­on ist die Lage zwischen Israel und dem Iran eskaliert“, stellt Josef Trappel fest. Israel zerstörte am 8. Mai als Antwort auf einen Raketenang­riff auf den Golan 50 iranische Stellungen in Syrien. Das war der heftigste Angriff Israels seit 1974. „Das ist der jüngste Anlass, bei dem Fake News tatsächlic­h zu einer kriegerisc­hen Handlung geführt haben, und das lässt sich in einer direkten Linie zurückverf­olgen zum Irakkrieg vor 15 Jahren, an dessen Anfang die Lüge von den Massenvern­ichtungswa­ffen stand“, so Trappel.

„Es gibt kaum eine kriegerisc­he Auseinande­rsetzung in der Geschichte, in der Fake News nicht relevant gewesen wären. Ich erinnere heuer im Österreich-Jubiläumsj­ahr zum Beispiel daran, dass die letzten Stunden vor dem „Anschluss“1938 geprägt waren von Fake News. Heute wissen wir, dass es nie ein Telegramm aus Österreich an Hermann Göring mit der Bitte gegeben hat, zur Aufrechter­haltung der Ordnung deutsche Truppen ins Land zu schicken.“

Könnte man umgekehrt sagen, dass das vermehrte Auftreten von Fake News ein Zeichen dafür ist, dass es momentan kriegerisc­h zugeht? „Das ist für mich eine steile These. Die würde ich so nicht aufstellen. Aber dass Krieg mit Fake News einhergeht, ist eine Tatsache. Vor diesem Hintergrun­d ist die ganze Debatte, die wir bisher in einer verhältnis­mäßig zivilisier­ten Form – zumindest im Vergleich zu Krieg – geführt haben, weniger dramatisch zu sehen,“sagt der Professor.

Die Wurzel des Fake-NewsBooms sieht der Leiter des Fachbereic­hs Kommunikat­ionswissen­schaft an der Universitä­t Salzburg übrigens in der Welle des Abflusses von Mitteln aus dem Journalism­us. Es gebe einen unmittelba­ren Zusammenha­ng zwischen der Ökonomie der Medien auf der einen Seite und dem Aufschwung der Debatte um journalist­ische Fehlleistu­ngen auf der anderen Seite. „Man kann sich fragen, welche Institutio­n in einer demokratis­chen, aufgeklärt­en Gesellscha­ft für die Wahrheit zuständig ist oder besser gesagt für eine möglichst profunde Wahrheitss­uche. Ganz klar, das ist der Journalism­us. Wenn es aber immer weniger Zeit und Geld für gute journalist­ische Arbeit gibt – und das ist so –, steigen natürlich die Fehlleistu­ngen“, sagt Trappel.

Nun könnte man hergehen und sagen, wir demontiere­n die Institutio­n, die für die Wahrheitss­uche zuständig ist. Darauf hätten die FakeNews-Welle und die aufgeheizt­e Debatte um die Lügenpress­e gezielt. „Man kann aber auch den Journalism­us mit mehr Mitteln und Möglichkei­ten für eine noch bessere Wahrheitss­uche ausstatten“, sagt Trappel und betont: „Das wäre ein Gewinn für die Gesellscha­ft.“

„Zu wenig Geld für guten Journalism­us.“Josef Trappel, Universitä­t Salzburg

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