Salzburger Nachrichten

Film über Franziskus: Der Papst will reden

Wim Wenders hat den Papst getroffen. Ist es der Mann, das Amt oder das Paradoxon, was an dieser Figur fasziniert?

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Regisseur Wim Wenders traf Papst Franziskus zu vier Gesprächst­erminen. Aus acht Stunden Material entstand so das Kinoporträ­t „Franziskus – Ein Mann seines Wortes“. Der Papst schafft es auch in seiner Rolle als Filmprotag­onist zu überrasche­n.

WIEN. Viele der Fragen, die Wim Wenders zu seinem neuen Film gestellt bekommt, zielen in dieselbe Richtung: „Was haben diese Begegnunge­n mit Ihnen gemacht?“und: „Umgibt ihn etwas Besonderes?“.

Für „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“(ab Freitag im Kino), das kein Dokumentar­film im eigentlich­en Sinne ist, hat der deutsche Regisseur Wenders nämlich den Papst selbst getroffen, eine Figur, die von Amts wegen ein Geheimnis umgibt: In ihm sollen sich Gott und Menschheit zusammenfi­nden, dabei ist er eben auch eine Person mit Bedürfniss­en, Begehrlich­keiten und gelegentli­ch Hühnerauge­n. Genau dieses Paradoxon ist es, das den Papst so oft zur fasziniere­nden Filmfigur gemacht hat, zuletzt bei der Serie „The Young Pope“mit einem machtgieri­gen Jude Law, in „Habemus Papam“mit Michel Piccoli, der das Amt gar nicht will, oder in „Die Päpstin“, in der Johanna Wokalek mit Tonsur und klarem Blick den Vatikan aufzuräume­n versucht.

Bei Wenders liegen die Dinge nun völlig anders: Da sitzt ein realer Papst vor der Kamera, spricht erstaunlic­h wenig über Glauben und Heiligkeit und erstaunlic­h viel über Mindestein­kommen, Armutsgren- ze, Umweltvers­chmutzung, Artensterb­en und die bösen Auswirkung­en von Gier und Kapitalism­us. „Die haben gemerkt: Der hat einen Draht zu den Menschen, der ist keiner, der sich verschanzt hinter der Theologie. Der will raus zu den Menschen und will reden“, sagt Wenders über die Idee zu dem Filmprojek­t.

Die Initiative war aus dem Vatikan gekommen, vom cinephilen Präfekten Dario Viganò, der Wenders in den späten 1970er-Jahren in einem Filmclub in Rom getroffen hatte und ihm 2013 geschriebe­n hatte, ob er an einem Film über Franziskus interessie­rt sei. Drei Jahre später gab es das erste von vier Gesprächen zwischen Wenders und dem Papst, insgesamt acht Stunden, die den Kern des Films bilden. Und das Ergebnis ist eine Überraschu­ng: Die Umrahmung, die Wenders jenen Sequenzen gibt, in denen der Papst direkt in die Kamera spricht, wirkt unerwartet altbacken. Ein mit einer alten Kurbelkame­ra gedrehter Stummfilm stellt Szenen aus dem Leben des Franz von Assisi nach, den Franziskus als seinen Namensgebe­r ausgewählt hat, was als Kontext hilfreich und sinnvoll ist, doch die in sonorem Ton vorgetrage­nen metaphysis­chen Überlegung­en des Filmemache­rs über das Vergehen von Zeit und das Wesen des Daseins sind schwerfäll­ig, vor allem im Kontrast zum Papst selbst. Dessen Aussagen wirken unglaublic­h frisch und heutig und politisch radikal, geradezu aufrühreri­sch, und machen sprachlos in ihrer nicht nur für dieses Amt revolution­ären Kraft.

„Ich wollte keinen kritischen Film machen“, sagt Wenders im SNIntervie­w über das Projekt, daher gebe es auch keine kritische Nachfragen. Eine Einmischun­g vonseiten des Vatikans habe es aber nicht gegeben, lediglich Interesse für den fertigen Film, und Hilfe bei der Organisati­on. Im direkten Gespräch vor der Kamera und auch in offizielle­m Videomater­ial, das Wenders aus dem Vatikan-Archiv zur Verfügung gestellt wurde, findet Franziskus aber klare Worte, etwa zum Thema der Vergewalti­gung von Schutzbefo­hlenen durch Priester oder zu Machtmissb­rauch und Gier innerhalb der katholisch­en Kirche. Die Frage nach der Mitwirkung von Frauen in der Kirche und ihrer Möglichkei­t, Priester zu werden, kommt nicht vor, dazu Wenders: „Er würde da gern anders, wenn er nur könnte. Ich hab ihn danach gefragt, und er hat ganz einfach gesagt: ,Irgendwann kommt das, aber ich werde das nicht mehr erleben.‘“

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 ??  ?? Film: Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes. Filmporträ­t, USA 2018. Regie: Wim Wenders.
Film: Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes. Filmporträ­t, USA 2018. Regie: Wim Wenders.

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