Salzburger Nachrichten

Europa versagt in der Asylkrise

Wie in einem Brennglas zeigt der Streit um die Menschen vom Rettungssc­hiff „Aquarius“das politische Drama in der Europäisch­en Union.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Flucht und Migration auf unseren Kontinent haben, wie zu erwarten war, nicht aufgehört. In einer heillosen Welt ist unsere Stabilität nach wie vor von enormer Anziehungs­kraft für Hilfesuche­nde. Aber von einer Lösung für diesen Problemkom­plex sind die EU-Staaten weiter entfernt denn je. Stattdesse­n streiten jetzt Frankreich und Italien auf offener Bühne. Wegen solcher Zwistigkei­ten gehen selbst die simpelsten humanitäre­n Grundsätze über Bord.

Dass Menschen, die aus dem Mittelmeer gefischt worden sind, darunter schwangere Frauen und Kinder, tagelang herumirren müssen und keinen sicheren Hafen finden, ist einfach nur beschämend für das zivilisier­te Europa. Dass unsere Europäisch­e Union selbst in einem solchen überschaub­aren Notfall keine rasche Lösung findet, ist einfach nur erbärmlich.

Mit der Sperre von Italiens Häfen für die „Aquarius“setzt der neue Innenminis­ter Matteo Salvini auf den Abschrecku­ngseffekt: Den aus Afrika zu uns wollenden Menschen soll gezeigt werden, dass hier kein Gelobtes Land mehr ist. Dabei ist die Zahl der Migranten auf der Mittelmeer­route gegenüber dem Vorjahr um 80 Prozent zurückgega­ngen. Zugleich will Salvini den EU-Partnern signalisie­ren, dass das Problem nicht länger auf die Länder an der Außengrenz­e der Union abgewälzt werden soll.

Alles schreit nach einer europäisch­en Lösung. Dafür ist die mühsame Suche nach einem Konsens vonnöten. Tatsächlic­h geschieht das Gegenteil. Deutschlan­ds Innenminis­ter Horst Seehofer will schon registrier­te Asylbewerb­er bereits an der Grenze abweisen. Er verschiebt so das Problem an die Nachbarsta­aten und in einem Dominoeffe­kt wieder auf Italien und Griechenla­nd.

Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz will eine „Achse der Willigen“mit Rom und Teil-Berlin gegen illegale Migration schmieden. Er reißt damit wohl neue Gräben in der EU auf. Einen solchen Terminus verwendete bekanntlic­h US-Präsident George W. Bush für seinen Irak-Krieg und dafür, Europa zu spalten. Die Wortwahl wird immer grausliche­r. Klar ist nicht einmal mehr, dass es für wirklich Verfolgte Asyl geben muss.

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