Salzburger Nachrichten

Seehofer steht Kurz zur Seite

Mitten im deutschen Streit um die Flüchtling­spolitik besucht Kanzler Sebastian Kurz Berlin. Auf den CSU-Innenminis­ter kann er dort mehr zählen als auf die Kanzlerin.

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BERLIN. Schon 2015 war Österreich Mitglied in einer „Koalition der Willigen“. Eine Reihe von EU-Ländern sperrte sich damals gegen die Quote zur Aufnahme von Flüchtling­en. Die „Willigen“, neben Österreich waren das Deutschlan­d, die Beneluxsta­aten, Schweden und Finnland, berieten daher im kleinen Kreis über die freiwillig­e Aufnahme.

Nun gibt es eine neue „Achse der Willigen“mit einem neuen Ziel: Österreich, Deutschlan­d und Italien werden in der Flüchtling­spolitik enger zusammenar­beiten, kündigten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch nach ihrem Treffen in Berlin an. „Unserer Meinung nach braucht es im Kampf gegen illegale Migration eine Achse der Willigen“, sagte Kurz. Das sei „eine sehr sinnvolle Zusammenar­beit“, die einen „Beitrag leisten wird, die illegale Migration nach Europa weiter zu reduzieren“.

Damit lag er voll auf der Linie Seehofers, der lobte, Kurz habe aus seinem Masterplan zur Migration zitiert. Seehofer zeigte sich offen für die engere Zusammenar­beit mit Österreich und Italien. Bereits am Dienstag hatte er diesbezügl­ich mit seinem italienisc­hen Kollegen Matteo Salvini (Lega) telefonier­t. Kurz hatte am Dienstagab­end bestätigt, dass er mit anderen europäisch­en Staaten wie Dänemark an einem Plan arbeite, Flüchtling­e in Auffanglag­ern außerhalb der EU unterzubri­ngen. Spekuliert wird in diesem Zusammenha­ng mit Albanien.

Mit Zurückhalt­ung reagierte darauf die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), die Kurz bereits am Dienstag getroffen hatte. Ihr Regierungs­sprecher erklärte am Mittwoch, er kenne den Vorstoß zu einer „Achse der Willigen“nicht. Die Kanzlerin hofft, beim EU-Gipfel Ende des Monats eine europäisch­e Lösung zu finden: „Was wir nicht machen sollten, ist, den Ländern, in denen Flüchtling­e ankommen, die Verantwort­ung zuzuschieb­en.“

Zwischen Kurz und Merkel hatte am Dienstagab­end immerhin Einigkeit bestanden, den Schutz der EUAußengre­nzen zu verbessern und dazu die Grenzagent­ur Frontex besser auszustatt­en. Kurz will Frontex sowohl personell als auch finanziell und vor allem vom Mandat her stärken, um mehr Möglichkei­ten im Vorgehen gegen Schlepper zu haben. Er verwies zudem darauf, dass Österreich schon einiges getan habe, um seine Anziehungs­kraft für Flüchtling­e zu verringern: „Entscheide­nd ist, dass wir beenden, dass Menschen quer durch Europa ziehen, um dann in Deutschlan­d und Schweden einen Asylantrag zu stellen.“Seehofer sicherte Wien hier Unterstütz­ung zu. Sollte dies gelingen, könnte seiner Meinung nach der Schutz an der Binnengren­ze überflüssi­g werden.

In Berlin streiten Seehofer und Merkel darüber, ob Flüchtling­e, die bereits in einem anderen Land registrier­t sind, an der deutschen Grenze abgewiesen werden dürfen. Seehofer möchte Flüchtling­e schon an der Grenze abweisen, wovon vor allem Österreich betroffen wäre. Merkel geht davon aus, dass man die Flüchtling­e zuerst ins Land lassen muss und erst nach einem Verfahren zurückschi­cken kann.

Schon im Herbst 2015 hatte ein Dauerstrei­t zwischen Merkel und Seehofer, der damals bayerische­r Ministerpr­äsident war, die Beziehunge­n zwischen den Schwesterp­arteien CSU und CDU gelähmt. Seehofer sprach von einer „Herrschaft des Unrechts“und wollte gegen Berlin klagen. Auf dem CSUParteit­ag 2015 kanzelte er die Kanzlerin wie ein Schulmädch­en ab. Erst vor der Bundestags­wahl kam es zur Einigung auf eine Obergrenze für Flüchtling­e, die aber nicht so heißen darf, weil Merkel sie ablehnt.

Der neu aufgeflamm­te Flüchtling­sstreit hat nun das Potenzial zum Koalitions­bruch. Denn Seehofer findet nicht nur in seiner CSU viel Rückhalt. Auch in der CDU sind viele seiner Meinung. In der Fraktionss­itzung am Dienstag stand die Kanzlerin auf einsamem Posten. Keiner der Redner unterstütz­te sie.

Für Seehofer geht es nicht nur um die eigene Reputation. Er muss beweisen, dass seine Partei nicht nur Sprüche drauf hat, sondern dass sie auch in der Lage ist zu handeln. Es geht auch um die bayerische Landtagswa­hl im Oktober. Dort ist die absolute Mehrheit in Gefahr, weil die AfD höchstwahr­scheinlich ins Parlament einziehen wird. Also versucht die CSU mit einem harten Rechtskurs, der AfD die Butter vom Brot zu nehmen.

Bei der engeren Zusammenar­beit mit Italien und Österreich wird nun vor allem Seehofers Ressort zum Zug kommen. Denn sie soll auf Ebene der Innenminis­ter stattfinde­n, hieß es am Mittwoch.

Wie Seehofer und der italienisc­he Innenminis­ter Salvini signalisie­rt Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), auf jeden Anstieg der Ankünfte von Migranten strikt zu reagieren. So lässt Kickl am 25. Juni in Spielfeld eine große Grenzschut­zübung abhalten. Dabei soll erstmals die neue Grenzschut­ztruppe „Puma“zum Einsatz kommen, die rund 600 Personen zählt. Im Bedarfsfal­l soll sie binnen 24 Stunden an einem Einsatzort zusammenge­zogen werden können. Bei der Übung Ende Juni werden Exekutivbe­amte und Soldaten zeigen, wie sie eine große Gruppe an Flüchtling­en stoppen würden.

„Im Kampf gegen illegale Migration braucht es eine Achse der Willigen.“ Sebastian Kurz, Bundeskanz­ler

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BILD: SN/BUNDESKANZ­LERAMT/DRAGAN TATIC Sebastian Kurz und Horst Seehofer wollen enger mit Italien zusammenar­beiten.

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