Salzburger Nachrichten

Der „Fall Olah“erschütter­t die SPÖ

Wie ein ÖGB-Präsident und Innenminis­ter zum Feindbild der eigenen Partei wurde.

- Pur

„Eine solche Erschütter­ung hat die Arbeiterbe­wegung Österreich­s noch nicht erlebt, auch nicht im Juli 1927“, heißt es im Leitartike­l der „Salzburger Nachrichte­n“am 30. Oktober. Tags zuvor ist es vor der SPÖZentral­e in Wien zu gewalttäti­gen Demonstrat­ionen von Parteimitg­liedern gekommen, die Parteispit­ze wird tätlich angegriffe­n und muss fliehen. Es ist der Höhepunkt des „Falls Olah“, der 1964 die Sozialdemo­kratie ins Wanken bringt.

Wie kam es dazu? Der gelernte Klavierbau­er Franz Olah stößt in Wien früh zur Gewerkscha­ftsbewegun­g und wird wegen seiner politische­n Überzeugun­g bereits vom Ständestaa­t inhaftiert. Die gesamte Nazizeit ist er im Konzentrat­ionslager, wo er schwer misshandel­t wird. Nach dem Krieg macht er in der Gewerkscha­ft Karriere und schlägt 1950 mit seinen Bau-Holz-Gewerkscha­ftern den kommunisti­schen Putschvers­uch nieder.

Der charismati­sche, machtbewus­ste Olah macht rasch Karriere. Er wird ÖGB-Präsident, Zweiter Nationalra­tspräsiden­t und Innenminis­ter. Immer mehr gerät er mit dem linken SPÖ-Flügel in Konflikt, sein innerparte­ilicher Hauptgegne­r ist der spätere Justizmini­ster Christian Broda. Pragmatisc­h sucht Olah nach Wegen, um die SPÖ aus der Rolle des ewig Zweiten in der damaligen Großen Koalition mit der ÖVP zu befreien.

Die Wege, die er wählt, sind umstritten. Mit Millionen aus der Gewerkscha­ftskasse fördert er die Gründung der „Kronen Zeitung“und die Zeitung „Express“. Auch der FPÖ lässt er geheim Geld zukommen, um das bürgerlich­e Lager zu spalten. Der innerparte­iliche Konflikt eskaliert, im Herbst 1964 wird Olah unter wütenden Protesten seiner Anhänger aus der SPÖ ausgeschlo­ssen. Die „Salzburger Nachrichte­n“schreiben von einer Liquidieru­ng wie bei den Moskauer Schauproze­ssen. Besonderen Unmut hatte Olah in der SPÖ zuletzt dadurch erregt, dass er der bürgerlich­en Zeitung „Die Presse“ein Interview gegeben und darin Kritik an der Partei geübt hatte – damals eine Ungeheuerl­ichkeit.

Später wird Olah wegen seiner finanziell­en Machenscha­ften zu einem Jahr Haft verurteilt. Danach gründet er – mit Finanzhilf­e der ÖVP – die Demokratis­che Fortschrit­tliche Partei. Mit ihr zieht er in den Wiener Gemeindera­t ein und nimmt der SPÖ bei der Nationalra­tswahl 1966 wichtige Stimmen weg, sodass die ÖVP die absolute Mehrheit erzielt.

Erst Jahrzehnte später macht die SPÖ ihren Frieden mit Olah. Zu seinem 95. Geburtstag zeichnet Bundespräs­ident Heinz Fischer ihn 2005 auf Vorschlag von Kanzler Wolfgang Schüssel mit einem der höchsten Orden der Republik aus. Olah überlebt alle seine Gegner und stirbt 2009 im Alter von 99 Jahren.

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BILD: SN/BARBARA PFLAUM / IMAGNO / PICTUREDES­K.COM Der Machtmensc­h Franz Olah.

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