Das wird kein Sommermärchen
Für den Kreml ist die Fußball-Weltmeisterschaft kein Spaß. Sie soll demonstrieren, dass Russland den großen Mächten der Welt ebenbürtig ist.
Wladimir Putin wird selten laut. So war es auch in der vergangenen Woche. In der alljährlichen TV-Sprechstunde des Präsidenten fragte ihn der nationalistische Schriftsteller Sachar Prilepin nach Auswirkungen des Krieges in der Ostukraine auf die FußballWM. Er hoffe, antwortete Putin, dass nichts passiere. Aber wenn die Ukraine Stellungen prorussischer Separatisten im Donbass angreifen sollte, werde das „schwere Folgen für die gesamte ukrainische Staatlichkeit haben“. Er hätte auch sagen können: Dann überziehen wir das gesamte Land mit Krieg.
Vor der Fußball-WM genießt die Ukraine im Kreml auch deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil es die Maidan-Revolution war, die Putin im Februar 2014 seine OlympiaSchau von Sotschi verdarb (der Skandal um russisches Staatsdoping brach erst später los). Damals knüppelten in Kiew Sonderpolizisten des prorussischen Regimes auf prowestliche Demonstranten ein, während am Schwarzen Meer um Wintersportmedaillen gekämpft wurde. Noch vor der Abschlussfeier begann das russische Militär schließlich einen hybriden Krieg gegen die Ukraine, der in der Annexion der Krim gipfelte.
Im Fußball-Sommer 2018 setzt der Kreml schon im Vorfeld auf klare Ansagen und strikte Regeln. Dem Gastgeberland geht es bestenfalls am Rande um Spiel und Spaß. Putins Plan, so lassen sich die acht Jahre der Turniervorbereitung zusammenfassen, war nie, ein sportliches Sommermärchen zu ermöglichen oder ein echtes, lebendiges Fest der Völkerfreundschaft.
Diese Weltmeisterschaft soll von der Stärke und der Ebenbürtigkeit Russlands mit den großen Mächten dieser Welt künden und deshalb „die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten“werden, wie es FIFA-Präsident Gianni Infantino formulierte. Das aber heißt vor allem: Die Bilder müssen stimmen.
Sichtbarstes Zeichen dieses Ansatzes sind die zwölf Stadien zwischen Sotschi im Süden und Sankt Petersburg im Norden, zwischen der fast schon mitteleuropäischen Enklave Kaliningrad im Westen und der Ural-Metropole Jekaterinburg im Osten. Mehr als zehn Milliarden Euro haben die Um- und Neubauten verschlungen. Damit ist „Rossija 2018“schon jetzt die teuerste WM aller Zeiten. Profitiert hat davon vor allem die Oligarchenwirtschaft.
Die lukrativsten Aufträge gingen an Putin-Vertraute wie den Ölgiganten Gennadi Timtschenko, den Immobilienriesen Aras Agalarow und den Baulöwen Rawil Ziganschin. Rund 1,3 Milliarden Euro seien versickert, behaupten Anti-Korruptions-Aktivisten der oppositionellen Jabloko-Partei. Nachprüfen lässt sich das nicht, da von Transparenz oder gar unabhängigen Kontrollen keine Rede sein kann.
Sicher dagegen ist, dass die WM keine Plattform für Kremlkritiker werden wird. Die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, sagt: „Es geht nicht um Moral. Für den einen ist die WM eine Show, für den anderen geht es um Geld, für den Nächsten um einen politischen Vorteil.“Es gibt außerhalb des Putin-Lagers nur sehr wenige Stimmen, die mit der WM Hoffnungen verbinden. Der deutsch-russische Schriftsteller Wladimir Kaminer, der seit 30 Jahren in Berlin lebt, setzt darauf, dass am Rande der WM „die Menschen miteinander ins Gespräch kommen“. Immerhin „kommen viele Leute nach Russland, und man lernt sich kennen“.
Der ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski, der zehn Jahre in Lagerhaft verbracht hat, hält es dagegen für sehr viel wahrscheinlicher, dass „der Kreml versuchen wird, der WM seinen Stempel aufzudrücken und zu zeigen, dass in Russland alles bestens ist.“Das Turnier sei daher eine „inakzeptable Bestätigung eines autoritären Regimes“.
Bei Putins Oligarchen klingeln die Kassen