Russland taugt nicht als Austragungsort
Doch Fußball und Geld sind wichtiger als ernsthafte Debatten.
Darf man sich auf ein sportliches Großereignis in einem autoritär regierten Staat freuen? Sollen demokratische Politiker zu solchen Spielen anreisen und den Herrschenden die passenden Propaganda-Bilder liefern? Sollte man nicht lieber alles boykottieren? Das sind die Fragen, die so oder ähnlich alle paar Jahre wieder gestellt werden, wenn sich irgendein tendenziell mafioser Sportverband mit irgendeinem Unrechtsregime auf die Austragung einer Weltmeisterschaft oder Olympischer Spiele geeinigt hat.
In diesen Tagen wiederholt sich das routinierte Prozedere vor der Fußball-WM in Russland. Man mag (wie der Autor dieser Zeilen) das Land und seine Menschen lieben. Aber in seiner gegenwärtigen Verfassung taugt dieser Staat, der seine Bürger unterdrückt und Expansionskriege führt, nicht als Austragungsort. Von Staatsdoping und einer korrupten OligarchenWirtschaft, die am stärksten von der WM profi- tiert, haben wir da noch gar nicht gesprochen Am Ende aber setzt sich immer die beschwichtigende Lesart durch, die da lautet: Man darf doch nicht die armen Sportler und die noch ärmeren Fans für all die Sauereien und Verbrechen bestrafen, die korrupte Politiker und ihre Kumpane begehen.
Hinter dieser Antwort verbirgt sich die Geschichte von den Guten (Fußballer, Fans) und den Bösen (FIFA, Vermarkter, Putin). So einfach ist es natürlich nicht. Die Sportler und die Zuschauer sind ja der Motor des Systems, ohne den nichts liefe. Vor allem würde der Rubel ohne sie nicht rollen. Aber alle machen mit, und ganz besonders viele Menschen in der so genannten freien Welt machen mit. Sie alle – wir alle! – sind entweder dem Volksopium Fußball verfallen oder dem Massenstimulans Geld.
Wenn man bereit ist, sich damit abzufinden, darf man sich auf die Fußball-WM selbstverständlich freuen. Dann aber ist es auch völlig egal, wo gespielt wird. Zur Not in Katar.