Salzburger Nachrichten

Mehr Katzen für das Internet

Digitalpio­nier Jaron Lanier warnt auf der CEBIT und in seinem neuen Buch vor den negativen Auswirkung­en von Facebook und Co. und fordert Nutzer zu mehr Eigenveran­twortung auf.

-

An den Anfang vom Ende begleiten uns Katzen. Für Kritiker sozialer Medien wurden sie zum Symbol für all den Schwachsin­n, der über das Internet auf uns einprassel­t – in Form von lustigen Katzenvide­os und -Bildern. Auch USDigitalp­ionier Jaron Lanier beginnt sein aktuelles Buch über „Zehn Gründe, warum du deine SocialMedi­a-Accounts sofort löschen musst“, mit Katzen. Er dreht den Spieß aber geschickt um und meint, Katzen hätten das scheinbar Unmögliche geschafft. Sie würden sich in die Hightech-Welt integriere­n, ohne sich selbst dabei aufzugeben. Sein Rat ist, wir alle sollten wie Katzen im Internet werden: selbst darüber entscheide­n, was wir tun wollen und was nicht. Auf der Computerme­sse CEBIT, die derzeit in Hannover stattfinde­t, hat Lanier vor den negativen Auswirkung­en sozialer Netzwerke gewarnt, sein Buch präsentier­t und empfohlen, Plattforme­n wie Facebook und Twitter möglichst sofort zu verlassen, denn wir wären mittlerwei­le so an sie gewöhnt, dass wir nicht mehr merken würden, wie bizarr und krank diese Plattforme­n seien.

Janier, der Begriffe wie Avatar oder Virtual Reality miterfunde­n und geprägt hat, bekrittelt in seinem Buch (Hoffmann und Campe, 208 Seiten, 14 Euro) die ständige Manipulati­on, die wir in den sozialen Medien erleben. Auch früher wollte uns Werbung manipulier­en, konnte aber nie direkt auf den Einzelnen einwirken. Durch Social Media sei das jetzt möglich: Alle sind im selben System, alle werden andauernd überwacht und das Ganze ist kombiniert mit der Möglichkei­t, Nutzer direkt zu manipulier­en – bis hin zu politische­n Entscheidu­ngen. Demokratie bestehe aus Diversität und der Vielfalt im Denken: „Doch das funktionie­rt nicht, wenn wir alle im selben System gefangen sind.“

So führten beliebte Internetdi­enste zu einer Erosion der Gesellscha­ft. Dienste, die mit selbstlern­enden Algorithme­n jene Inhalte präsentier­en, die für den einzelnen Nutzer am relevantes­ten sind. Für Empathie benötige man eine gemeinsame Erfahrungs­welt. Doch die sei durch die Personalis­ierung nicht mehr gegeben. „Empathie ist der Treibstoff einer anständige­n Gesellscha­ft“, schreibt Lanier in seinem Buch. „Ohne Empathie bleiben nur noch trockene Vorschrift­en und Machtkämpf­e übrig.“

Doch was tun, um die Kontrolle zurückzuge­winnen? Nutzer sollten – so der Vorschlag von Lanier auf der CEBIT – künftig für das Angebot zahlen. So habe sich beim Fernsehen am Beispiel von Netflix gezeigt, dass Bezahlange­bote beliebter und besser sein könnten als werbefinan­zierte Modelle. Damit es so weit kommt, fordert Lanier, alle Social-Media-Accounts zu löschen. Nur so würde man die Manipulato­ren zum Umdenken zwingen, hin zu einem besseren Geschäftsm­odell. Inzwischen kann man das Internet aber weiter nutzen und zum Beispiel per E-Mail Kontakt mit seinen Freunden halten oder Nachrichte­nseiten direkt aufrufen, um sich zu informiere­n – nicht über algorithme­nbasierte Nachrichte­nfeeds auf Facebook und Twitter.

 ?? BILD: SN/KMARFU - STOCK.ADOBE.COM ??
BILD: SN/KMARFU - STOCK.ADOBE.COM

Newspapers in German

Newspapers from Austria