Knalleffekt: Spanien feuert den Teamchef
Kurz vor dem ersten WM-Match musste Julen Lopetegui, der kein Spiel verloren hatte, gehen. Sportdirektor Fernando Hierro übernimmt.
Innerhalb von nur zwei Stunden und kurz vor dem ersten WM-Spiel hat sich Spanien von Julen Lopetegui getrennt und Sportdirektor Fernando Hierro als Interimscoach berufen. Beim Topfavoriten ist vor dem so wichtigen Gruppen-Auftakt gegen Europameister Portugal am Freitag (20.00 Uhr) in Sotschi alles auf den Kopf gestellt. Lopetegui musste – offenbar gegen den Willen der Spieler – gehen, weil Verbandschef Luis Rubiales beleidigt ist über die Art und Weise, wie Real Madrid die brisante Personalie mit seinem neuen Trainer publizierte. „Wir haben uns dazu gezwungen gesehen, ihn seines Amtes zu entheben“, sagte Rubiales.
Real hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass der 51-Jährige Lopetegui zur neuen Saison Chefcoach beim Champions-League-Sieger und damit Nachfolger von Zinédine Zidane wird. Die Frage, wer nun die Übungseinheiten beim Weltmeister von 2010 leite, konnte Rubiales zunächst nicht beantworten: „Wir suchen einen Trainer – von jetzt an“, sagte er. Als Kandidat galt zunächst neben Ex-Nationalspieler Hierro auch U21-Trainer Albert Celades, der zur Delegation in Russland gehört. Zwei Stunden nach dem spektakulären Abgang von Lopetegui verkündete der Verband via Twitter, dass Hierro einspringt.
Der einstige Real-Profi hat von 1989 bis 2002 für La Roja 89 Länderspiele bestritten. Der 50-Jährige hatte bisher nur den Zweitligisten Real Oviedo trainiert. „Es ist ein harter Schlag, aber wir stehen zusammen, um nach vorn zu schauen“, sagte Rubiales inmitten eines chaotisch wirkenden Krisenmanagements. „Wir stecken in einer komplizierten Situation, die komplizierteste, die man sich vorstellen kann.“
Nach Informationen von „Marca“hätten sich die Spieler mit Kapitän Sergio Ramos und seinem Stellvertreter Andrés Iniesta an der Spitze für den Verbleib Lopeteguis ausgesprochen. Die Spieler hätten die Entscheidung der sofortigen Trennung „akzeptiert“, sagte hingegen Rubiales. Lopetegui war für die Pressekonferenz am Mittwoch angekündigt worden, erschien aber nicht. Der frühere Torhüter hatte seit seinem Amtsantritt 2016 als Nachfolger von Vicente del Bosque keines seiner 20 Spiele verloren.
„Kanonenschuss gegen die Selección“, titelte sogar die Real nahestehende Madrider Sportzeitung „AS“, nachdem Reals Coup bekannt geworden war. Rubiales koche vor Wut, hieß es in Medienberichten weiter. Die Fachzeitung „Mundo Deportivo“sprach von einer „Bombe“, das Konkurrenzblatt „Sport“von einer „Madrider Rakete gegen La Roja“und auch davon, dass Pérez „die Nationalmannschaft in die Luft gejagt“habe.
Lopeteguis Blitzabgang ist selbst im schnelllebigen Profigeschäft ein einmaliger Vorgang. Kapitän Ramos hat nach einem Chaostag die Anhängerschaft zur Einigkeit aufgerufen. „Wir sind die Selección, wir repräsentieren das spanische Wappen, die Farben, die Fans, das Land. Die Verantwortung und die Verpflichtung sind mit euch und für euch. Gestern, heute und morgen, gemeinsam. #VamosEspaña“, twitterte der 32-jährige Abwehrspieler von Real Madrid mit reichlich Pathos.