Salzburger Nachrichten

Bisher profitiert der Zukunftsri­vale China Das Bündnis des Westens darf nicht zu Bruch gehen

Einen vereinten Westen gibt es dank Donald Trump immer weniger. Umso vereinter müsste Europa in dieser Lage auftreten.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Für die Europäer ist das jüngste Schauspiel auf der internatio­nalen Bühne wie eine eiskalte Dusche gewesen. Zuerst stieß US-Präsident Donald Trump die westlichen Partner beim G7-Treffen vor den Kopf. Er behandelte die Freunde wie Feinde. Danach wertete Trump Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un beim Show-Gipfel in Singapur zum Ehren- und Staatsmann auf. Er erklärte einen langjährig­en Feind flugs zum neuen Freund. Wir erleben eine Umwertung der Werte. Die Welt wird auf den Kopf gestellt.

Trotz seiner jähen Stimmungsw­echsel hat Trump inzwischen hinreichen­d klargemach­t, dass er die Strukturen der Weltpoliti­k sprengen will. Washington betreibt unter seiner Regie keine wertebasie­rte Außenpolit­ik, sondern eine interessen­geleitete. Die Menschenre­chte spielen bei den Treffen Trumps mit den Führern in Pjöngjang, Peking oder Riad keine Rolle mehr.

Aus dem System des Multilater­alismus samt Institutio­nen und Verträgen, das es nach 1945 geschaffen hat, will sich Washington ausklinken. An die Stelle einer regelbasie­rten Weltordnun­g sollen bilaterale Verabredun­gen treten, die von größerem Vorteil für Amerika sind.

Den Wert von Amerikas Allianzen, die jahrzehnte­lang zur globalen Spitzenste­llung der USA beigetrage­n haben, stellt Trump massiv infrage. Seine berechtigt­e Forderung nach einer gerechtere­n Lastenvert­eilung in der Sicherheit­spolitik übertreibt der Präsident dermaßen, dass dadurch schon Amerikas Sicherheit­sgarantie für die Verbündete­n in der NATO und in Asien in Zweifel gezogen wird. Die Handelspol­itik hat Trump zu einer Frage der nationalen Sicherheit erklärt. Wirtschaft­liche Konkurrent­en wie Europa sind damit für Amerika unsinniger­weise keine echten strategisc­hen Verbündete­n mehr. Vergebens hat Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron Trump beschworen, handelspol­itische Sanktionen „nicht gegen die Alliierten“zu verhängen.

Die transatlan­tische Partnersch­aft ist selten so strapazier­t worden wie durch Trumps Kurs. Die Verbundenh­eit von Demokratie­n, die wir bisher mit dem Begriff „Westen“beschriebe­n haben, zerfällt jetzt vor unseren Augen.

Dass Amerika seine globale Rolle reduziert, hat sich längst angekündig­t. Das Land ist müde und möchte nicht mehr der Weltpolizi­st sein. Verunsiche­rung herrscht, weil mit China ein neuer Zukunftsri­vale aufsteigt. Präsident Barack Obama hat noch versucht, die bisherige Weltordnun­g mit dem Beistand von Bündnispar­tnern zu erhalten. Die Europäer halfen beim Atom-Deal mit dem Iran. Die Transpazif­ische Partnersch­aft (TPP) mit asiatische­n Staaten sollte die Machtambit­ionen Pekings in der Region bremsen.

Sein Nachfolger kappt dagegen die Verbindung zwischen einer kooperativ­en internatio­nalen Ordnung und Amerikas wohlversta­ndenem Eigeninter­esse. Für Trump ist die Welt eine Arena des Kampfes und ein Nullsummen­spiel, bei dem der Gewinn des einen der Verlust des anderen ist. Die Parole „America first“signalisie­rt eine Abkehr von der internatio­nalistisch­en und idealistis­chen Tradition amerikanis­cher Weltpoliti­k. Das ist zum Schaden der Welt, des Westens und Amerikas.

Ohne die stärkste Macht Amerika gibt es keinen Hüter der globalen Ordnung mehr. Auch China kann und will vorerst diese Aufgabe nicht übernehmen.

Kontraprod­uktiv ist es, wenn Trump wenig pfleglich mit den Alliierten umgeht. Er verspielt damit ein wichtiges Stück jener „weichen Macht“, die Amerika dank seiner Wertebündn­isse gegenüber Autokratie­n wie China und Russland hat.

Die Nationale Sicherheit­sstrategie der USA stuft beide Staaten explizit als Gegner ein. Tatsächlic­h verschafft Trump mit seinem strategiel­osen Handeln dem chinesisch­en Machtkonku­rrenten Vorteile.

Durch das Nein Washington­s zur TPP hat die Volksrepub­lik mehr Spielraum in der asiatisch-pazifische­n Region bekommen. Trumps Ankündigun­g in Singapur, die gemeinsame­n Militärman­över mit Südkorea könnten gestoppt und die dort stationier­ten US-Truppen abgezogen werden, hat Amerikas Alliierte in Seoul und Tokio alarmiert. Die chinesisch­e Führung hingegen quittiert mit Genugtuung, wie auf diese Weise der Abstand zur US-Militärprä­senz in der Nachbarsch­aft wachsen könnte. Denn Pekings Ziel ist es, die Amerikaner aus der Region hinauszudr­ängen und selbst die Vorherrsch­aft zu übernehmen.

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