Salzburger Nachrichten

Regierung muss mit Widerstand rechnen

SPÖ, AK und große Teile der Gewerkscha­ft sind über die Ausweitung der Arbeitszei­t empört. Freiheitli­che Arbeitnehm­er sehen Vorteile.

-

WIEN. Für ÖGB-Chef Wolfgang Katzian ist die Sache klar. Mit ihren Plänen für die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t habe die Regierung eine „rote Linie“überschrit­ten, Maßnahmen bis hin zum Streik seien möglich. AKChefin Renate Anderl kündigte ebenfalls Aktionen gegen die von der Regierung geplante Arbeitszei­tflexibili­sierung an.

Wie berichtet hat die Regierung am Donnerstag­abend überrasche­nd einen Initiativa­ntrag im Parlament eingebrach­t, in dem die Arbeitszei­ten in Österreich neu geregelt werden. Wobei es vor allem darum geht, dass die täglich und wöchentlic­h erlaubte Arbeitszei­t auf zwölf bzw. 60 Stunden hinaufgese­tzt wird und unter welchen Bedingunge­n diese Arbeitszei­tverlänger­ung erlaubt ist.

Die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t ist schon lang ein Wunsch der Wirtschaft. Allerdings konnte man sich in den vergangene­n Jahren nicht mit der Gewerkscha­ft einigen. Die Regierung hat das Thema deshalb an sich gezogen. Die wichtigste­n Fragen:

Bleibt die 40-Stunden-Woche?

Grundsätzl­ich ja. Die „Normalarbe­itszeit“bleibt bei acht Stunden täglich und 40 Stunden pro Woche (bzw. in vielen Branchen 38,5 Wochenstun­den). Wird darüber hinaus gearbeitet, fallen Überstunde­n an. Die werden (mit 50 Prozent Zuschlag) am Monatsende ausgezahlt oder als Zeitausgle­ich konsumiert.

Welche Arbeitszei­t wird verlängert?

Verlängert wird die höchstzulä­ssige Arbeitszei­t. Derzeit gilt: Auch inklusive Überstunde­n dürfen Arbeitnehm­er in der Regel nicht verpflicht­et werden, mehr als zehn Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Diese Höchstgren­zen werden künftig auf zwölf Stunden täglich und 60 Wochenstun­den erhöht.

Ist der Zwölf-Stunden-Tag freiwillig?

Vorgesehen ist die Möglichkei­t, die elfte und zwölfte Arbeitsstu­nde aus „überwiegen­den persönlich­en Interessen“abzulehnen. Dass die Mehrarbeit nur auf freiwillig­er Basis erfolgt, steht aber nicht im Gesetz. Außerdem verweist die Arbeiterka­mmer darauf, dass die meisten Dienstvert­räge die Verpflicht­ung zur Leistung von Überstunde­n im gesetzlich­en Rahmen enthalten.

Was bedeutet die geplante Änderung?

Die Verhängung des Zwölf-Stunden-Tages wird massiv erleichter­t: Ein drohender wirtschaft­licher Nachteil muss nicht mehr nachgewies­en werden, sondern nur ein „erhöhter Arbeitsbed­arf“. Auch der Betriebsra­t (oder die betroffene­n Arbeitnehm­er) müssen nicht zustimmen. Es gelten aber zwei Bedingunge­n: Pro Woche sind maximal 20 Überstunde­n zulässig. Und in einem Zeitraum von 17 Wochen darf die durchschni­ttliche Arbeitszei­t 48 Wochenstun­den nicht überschrei­ten. Das ist eine EU-Vorgabe.

Während vor allem die roten Ge- werkschaft­er und die SPÖ gegen die Pläne der Regierung auf die Barrikaden steigen, sind sie etwa für die freiheitli­chen Arbeitnehm­ervertrete­r durchaus akzeptabel. „Für uns war wichtig, dass die Überstunde­nzuschläge bleiben“, sagt Bundesobma­nn Bernhard Knoll. In der Voest, wo er Betriebsra­t sei, gebe es jede Menge Vereinbaru­ngen, die längeres Arbeiten ermöglicht­en und die- se funktionie­rten auch. Die neuen Regeln müssen nicht zum Nachteil der Arbeitnehm­er sein, so könnten dadurch zum Beispiel auch längere Freizeitbl­öcke pro Woche möglich werden, ist Knoll überzeugt.

Österreich­s Vollzeitbe­schäftigte liegen bei den geleistete­n Wochenstun­den im europäisch­en Spitzenfel­d. Mit durchschni­ttlich 41,4 Arbeitsstu­nden pro Woche belegt Österreich Platz drei. Mehr arbeiten nur die Briten mit 42,3 Stunden und die Zyprer mit 41,7 Stunden. Das ergibt eine Erhebung von Eurostat bezogen auf das Jahr 2016.

Österreich­er arbeiten demnach deutlich mehr als der durchschni­ttliche EU-Bürger. Mit 37,8 Arbeitsstu­nden bilden die Dänen das Schlusslic­ht.

 ?? BILD: SN/KERKEZZ - STOCK.ADOBE.COM ?? Der Einsatz des Zwölf-Stunden-Tags wird erleichter­t.
BILD: SN/KERKEZZ - STOCK.ADOBE.COM Der Einsatz des Zwölf-Stunden-Tags wird erleichter­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria