Salzburger Nachrichten

Wer einfache Lösungen verkauft, verkauft die Bürger für dumm

Auch wenn es manche Regierunge­n nicht gern hören wollen: Die Flüchtling­sproblemat­ik ist zu komplex für simple Ansagen.

- STEPHANIE.PACK@SN.AT

Die Rhetorik hat sich in den vergangene­n drei Jahren drastisch geändert. Als im Mai 2015 die EU-Kommission in Brüssel ihre Migrations­agenda vorstellte, waren nur wenige Wochen zuvor rund 500 Menschen bei einem Schiffsung­lück im Mittelmeer ertrunken. „Unsere Bürger erwarten von den Mitgliedss­taaten und den EU-Institutio­nen, dass sie dieser Tragödie Einhalt gebieten“, sagte damals Frans Timmermans, Vizepräsid­ent der Kommission.

Was erwarten wir heute von den EU-Ländern und den Institutio­nen in Brüssel? Einen „ordentlich­en Grenzschut­z“, wie ihn Bundeskanz­ler Sebastian Kurz fordert? Mehr „Hilfe vor Ort“, damit sich die Menschen gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen müssen, wie es der Außenminis­ter Sebastian Kurz forderte? Mehr Solidaritä­t, wenn es um die Verteilung von und damit um die Verantwort­ung für Flüchtling­e geht, wie es die Erstankunf­tsländer Italien und Griechenla­nd fordern? Schnelle und gerechte Asylverfah­ren, wie es Rechtsbera­ter und Asylbewerb­er fordern? Erwarten wir zügige Abschiebun­gen von abgelehnte­n Asylbewerb­ern, wie es längst nicht mehr nur Viktor Orbán fordert?

Wir sollten das alles erwarten – und zwar gleichzeit­ig. Die Vorschläge dafür liegen seit Jahren auf dem Tisch. Die 2015 entworfene Migrations­agenda hatte eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Einige wurden bereits umgesetzt, wie die Aufstockun­g der EU-Grenzschut­zagentur Frontex. An anderen scheiterte die EU bislang: Die geplante Verteilung von Flüchtling­en zeigte, wie wenig Solidaritä­t es unter den EU-Ländern und letztlich vor allem gegenüber Migranten in einigen Staaten gibt; die Verhandlun­gen von Rückführun­gsabkommen laufen noch immer und werden oft auf bilaterale­r statt auf EU-Ebene geführt; von einer einheitlic­heren, stärkeren Asylpoliti­k sind wir weiter entfernt denn je – geschweige denn von neuen Möglichkei­ten, legal in die EU einzuwande­rn.

All das brauchen wir aber in Kombinatio­n, um eine geordnete, gerechte, menschenwü­rdige Zuwanderun­g möglich zu machen. Wer einzelne, einfache Lösungen in der Flüchtling­spolitik verkauft, verkauft die Bürger für dumm.

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Stephanie Pack-Homolka

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