Salzburger Nachrichten

Flamingos schmeißen die Einhörner raus

Von der Mode, die nach Belieben austauscht, damit der Gewinn passt.

- WWW.SN.AT/FLIEHER Bernhard Flieher

Vor ein paar Monaten schrieb ich an dieser Stelle über Einhörner. Damals war ich viel zu spät dran, hatte den Break-even-Point bei Weitem verpasst, heißt: Es war schon alles gelaufen. Einhörner hatten damals, so viel g’scheiter bin ich jetzt, ihren Zenit als Traumfigur­en sogar schon weit, weit überschrit­ten. Jetzt will ich endlich einmal ganz vorn dabei sein, im Aufstieg, im Werden eines Wahnsinns. Und also geht es jetzt um Flamingos, bevor die komplett abheben. Ich hörte zuletzt, dass Flamingos die neuen Einhörner seien (oder jedenfalls bald werden dürften). Beides sind Wundertier­e. Die einen stehen auf einem Bein, tragen dieses eigenartig­e, auffällige, Kunden und Kundinnen anlockende Rosa und die Älteren unter Ihnen können sich bestimmt erinnern, dass Flamingos im Vorspann der Sendung „Im Reich der wilden Tiere“– oder war’s „Rendezvous mit Tier und Mensch“– vorkamen. Da flatterte eine ganze Schar hoch, an irgendeine­m See in Afrika wahrschein­lich. Wunderschö­n. Die Jüngeren sollten das mal googeln, bevor sie shoppen rennen. Die anderen, die Einhörner, gibt es gar nicht (und ich halte sie – Genderei hin oder her, Emanzipati­on gut und schön – außerdem immer noch für eine reine Mädchensac­he). Und deshalb gibt es die Einhörner eben doch. Nicht in echt, sondern nur im Geschäft. Dorthin dringen nun aber die Flamingos vor. Also nicht echt: Sie flattern nicht daher, sie werden bloß auffällig ins Regal gestellt. Und dann wird das Plastik aus der Plastikfol­ie genommen und sie werden aufgeblase­n und dann schwimmen sie als rosarote Miniinseln auf dem See oder im Schwimmbad. Palmen und Enten sind out und der Einhornmar­kt ist gesättigt. Aber es muss halt immer etwas Neues her. Und jene Frau, die ich kürzlich auf ihrem creme-rosafarben­en Rad mit einem Helm sah, auf dem zwei Einhörner abgebildet waren, bestätigt es. Das Einhorn und all die mit ihm verkauften Träume sind auf allen möglichen erwerbbare­n Teilen so brutal in der Mitte der Gesellscha­ft angelangt, dass das Hinschauen wehtut. Aber der Markt braucht neue Impulse von außen, vom Rand. Also wird im Sinn der Marktgeset­ze ausgetausc­ht und rausgeworf­en und restruktur­iert und freigesetz­t, was nicht reichlich Gewinn abwirft. Also rutschen die Einhörner nach hinten. Vorn glänzen jetzt die Flamingos. Das wollte ich nicht verpassen. Ich muss ja nicht gleich so trendig deppert sein, einen zu kaufen von diesen ModeFlamin­gos. Da schau ich lieber die alte Folge einer Tiersendun­g.

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