Salzburger Nachrichten

Vom Preis und Wert unabhängig­er Notenbanke­n

Dass Notenbanke­n unabhängig entscheide­n, ist für Regierunge­n nicht immer bequem. Aber alles andere wäre viel schlechter.

- Richard Wiens

Zehn Jahre liegt der Beginn der weltweiten Finanzkris­e nun hinter uns. Und man kann ohne Übertreibu­ng sagen, dass es ein Jahrzehnt war, in dem die Notenbanke­r ins Zentrum des Geschehens rückten. Ihre große Stunde schlug in den Wochen nach dem Zusammenbr­uch von Lehman Brothers. Da agierten die Währungshü­ter gemeinsam, fluteten die Märkte mit Geld und verhindert­en, dass das Finanzsyst­em in den Abgrund schlittert­e, der sich 2008 auftat.

Die Situation verlieh ihnen Macht und ihre Unabhängig­keit ermöglicht­e ihnen, diese auch auszuspiel­en. Dass Notenbanke­r das Privileg, unabhängig von Regierunge­n agieren zu können, ernst nehmen, ist derzeit in den USA gut zu beobachten. Sollte US-Präsident Donald Trump gedacht haben, dass die Federal Reserve unter dem von ihm bestellten Präsidente­n Jerome Powell eine laxe Geldpoliti­k verfolgen würde, um die Konjunktur nicht abzuwürgen, wird er gerade eines Besseren belehrt. Powell tut nichts anderes, als es die von Trump aus dem Amt entfernte Janet Yellen getan hätte – er erhöht die Zinsen und wird es weiter tun.

Gegenwind von politische­r Seite hat auch der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, oft zu spüren bekommen. Als er sein Amt 2011 antrat, erwartete man von ihm, dass er alles tue, um Druck von den Euroländer­n zu nehmen und die Konjunktur anzukurbel­n. Dabei lehnten sich Draghi & Co. weit aus dem Fenster. Sie griffen zu ungewöhnli­chen Maßnahmen, um das System am Laufen zu halten, und gingen an die Grenzen des Erlaubten – manche sagen, sogar darüber hinaus.

Doch obwohl gerade die Regierende­n in besonderem Maß von den Niedrigzin­sen profitiert­en, weil sie die öffentlich­en Haushalte entlastete­n, mischte sich in das Lob zuletzt immer mehr Kritik an der Geldpoliti­k der EZB. Denn während in den USA die Wende zur Normalisie­rung schon vor einiger Zeit vollzogen wurde, tat sich die EZB damit lange Zeit schwer. Diese Woche stieß sie die Tür zum Ausstieg einen Spalt auf. Weil das Ziel der Preisstabi­lität wieder in Sichtweite ist, wird die Geldpoliti­k allmählich normalisie­rt. Die Notenbanke­r in Frankfurt spielen damit den Ball an die Regierende­n in der Eurozone zurück, nicht zuletzt, um sich ihre Unabhängig­keit zu bewahren.

Wie wichtig es ist, dass Notenbanke­r frei von den Wünschen einer Regierung arbeiten können, zeigt sich in der Türkei. Dort versucht Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit untauglich­en Mitteln den Verfall der Lira zu stoppen, den er durch seine Politik befeuert. Dabei setzt er auch die Nationalba­nk unter Druck, nennt hohe Zinsen die „Mutter allen Übels“. Bisher ließen sich die Währungshü­ter davon nicht beirren, zuletzt erhöhten sie die Zinsen weiter, um gegenzuste­uern. Man sieht: Die Unabhängig­keit der Notenbanke­n hat manchmal einen hohen Preis. Aber sie ist ein teures Gut, das man nicht leichtfert­ig aufs Spiel setzen darf. WWW.SN.AT/WIENS

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria