Vom Preis und Wert unabhängiger Notenbanken
Dass Notenbanken unabhängig entscheiden, ist für Regierungen nicht immer bequem. Aber alles andere wäre viel schlechter.
Zehn Jahre liegt der Beginn der weltweiten Finanzkrise nun hinter uns. Und man kann ohne Übertreibung sagen, dass es ein Jahrzehnt war, in dem die Notenbanker ins Zentrum des Geschehens rückten. Ihre große Stunde schlug in den Wochen nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Da agierten die Währungshüter gemeinsam, fluteten die Märkte mit Geld und verhinderten, dass das Finanzsystem in den Abgrund schlitterte, der sich 2008 auftat.
Die Situation verlieh ihnen Macht und ihre Unabhängigkeit ermöglichte ihnen, diese auch auszuspielen. Dass Notenbanker das Privileg, unabhängig von Regierungen agieren zu können, ernst nehmen, ist derzeit in den USA gut zu beobachten. Sollte US-Präsident Donald Trump gedacht haben, dass die Federal Reserve unter dem von ihm bestellten Präsidenten Jerome Powell eine laxe Geldpolitik verfolgen würde, um die Konjunktur nicht abzuwürgen, wird er gerade eines Besseren belehrt. Powell tut nichts anderes, als es die von Trump aus dem Amt entfernte Janet Yellen getan hätte – er erhöht die Zinsen und wird es weiter tun.
Gegenwind von politischer Seite hat auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, oft zu spüren bekommen. Als er sein Amt 2011 antrat, erwartete man von ihm, dass er alles tue, um Druck von den Euroländern zu nehmen und die Konjunktur anzukurbeln. Dabei lehnten sich Draghi & Co. weit aus dem Fenster. Sie griffen zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um das System am Laufen zu halten, und gingen an die Grenzen des Erlaubten – manche sagen, sogar darüber hinaus.
Doch obwohl gerade die Regierenden in besonderem Maß von den Niedrigzinsen profitierten, weil sie die öffentlichen Haushalte entlasteten, mischte sich in das Lob zuletzt immer mehr Kritik an der Geldpolitik der EZB. Denn während in den USA die Wende zur Normalisierung schon vor einiger Zeit vollzogen wurde, tat sich die EZB damit lange Zeit schwer. Diese Woche stieß sie die Tür zum Ausstieg einen Spalt auf. Weil das Ziel der Preisstabilität wieder in Sichtweite ist, wird die Geldpolitik allmählich normalisiert. Die Notenbanker in Frankfurt spielen damit den Ball an die Regierenden in der Eurozone zurück, nicht zuletzt, um sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren.
Wie wichtig es ist, dass Notenbanker frei von den Wünschen einer Regierung arbeiten können, zeigt sich in der Türkei. Dort versucht Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit untauglichen Mitteln den Verfall der Lira zu stoppen, den er durch seine Politik befeuert. Dabei setzt er auch die Nationalbank unter Druck, nennt hohe Zinsen die „Mutter allen Übels“. Bisher ließen sich die Währungshüter davon nicht beirren, zuletzt erhöhten sie die Zinsen weiter, um gegenzusteuern. Man sieht: Die Unabhängigkeit der Notenbanken hat manchmal einen hohen Preis. Aber sie ist ein teures Gut, das man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf. WWW.SN.AT/WIENS