Auf den Verzicht verzichten
ICHmag es nicht, wenn Mitmenschen mit einem Konsumverzicht hausieren gehen. „Ich habe kein Smartphone mehr. Ein Handy reicht und ist billiger. Ich schalte es nur ein, wenn ich wirklich telefonieren muss.“Höre ich solche sicher auch penetrant erzieherisch gemeinten Worte, rate ich mir, ruhig zu bleiben. Streiten bringt nichts.
Meine Einstellung lautet: „Warum verzichten, wenn es zum Beispiel so etwas Geniales wie ein Smartphone gibt?“Ein handliches Ding verknüpft mich, wo immer ich gerade bin, mit der Welt. Fällt mir partout nicht ein, wie der arme Kerl geheißen hat, der bei der ersten Mondmission im Raumschiff bleiben musste, während sich Neil Armstrong und der Zweite, der ..., der ... Jetzt ist mir dem sein Name auch entfallen.
Von vorn: Mit Armstrong ist ein zweiter Astronaut in die Landefähre geklettert und ein Besatzungsmitglied blieb in der Apollo-Kapsel. Ich hab’s. Buzz Aldrin hieß der zweite Mann auf dem Mond. Aber wer kreiste um den Trabanten, während das Duo Geschichte schrieb? Das war – google, google, tipp, tipp, wisch, wisch auf dem stets präsenten Smartphone – ein gewisser Michael Collins. Hätten Sie es gewusst?
Jetzt verrate ich ein Geheimnis. Seit zwei Wochen übe ich auch einen Verzicht. Ich schaue nicht fern. Die Fernbedienung für ein bei mir nötiges Zusatzkasterl, das sich ohne Fernbedienung nicht bedienen lässt, ist verschollen. Ich habe sogar im Kühlschrank nachgeschaut. Mit zunehmendem Alter könne so etwas vorkommen, habe ich gelesen. Michael Collins lässt grüßen. Zu meiner gesundheitlichen Beruhigung lag der Dirigentenstab für die Programmvielfalt nicht zwischen Butter und Eiern.
Wahrscheinlich ist die Fernbedienung beim jüngsten Anfall von Putzwut mit anderem Zeug versehentlich im Mistkübel gelandet. Ich habe vor dem Wegfahren den Müllsack zur Tonne getragen. Wieder zu Hause hat die Suche begonnen. Was soll ich sagen? Seit dem zweiten Tag gefällt es mir. Ohne.
Hätte ich „mit“nach vielen Jahren wieder das Werk „The Dark Side of the Moon“– ihr war Michael Collins übrigens nah – von Pink Floyd angehört? Das ganze Album in voller Länge? Ich beschloss, den Erwerb einer neuen Fernbedienung hinauszuzögern.
Den Fußball-Sieg gegen die Deutschen habe ich in einem Gastgarten miterlebt. Per Livestream auf dem, richtig, Smartphone. Ich habe das Personal durcheinandergebracht. Dauernd huschte wer vorbei, warf einen Blick auf das Gerät und raunte: „Führen wir noch?“„Jahh!“Es war toll.
Jetzt knabbere ich: Soll ich auf diesen erfrischenden Verzicht wieder verzichten? Auf alle Fälle begegne ich Verzichtern mit mehr Toleranz.