Salzburger Nachrichten

In der flämischen Touristenh­ochburg gibt es noch kunstvolle­s Handwerk.

- ULRICH TRAUB www.visitbruge­s.be/de www.handmadein­brugge.be

Doch, doch, es gibt sie noch, die authentisc­hen Produkte, die in Handarbeit erzeugt werden. Und sie haben nicht nur mit der Klöppelei zu tun. Das neue Label „Handmade in Brügge“führt auf die Spur des Kunsthandw­erks – und in das Geschäft von Peter Quijo. Der arbeitet im historisch­en Zentrum von Brügge und – er klöppelt. Für einen Mann ist das allein schon sehr ungewöhnli­ch, wenn man dann noch erfährt, dass Quijo, ein Juwelier, mit feinsten Goldfäden klöppelt und dafür auch ein spezielles Werkzeug entwickelt hat, ist das Staunen groß. In bester Lage, zwischen Belfried und Rathaus, zeigt der Goldschmie­d seine preisgekrö­nte Ware. „Brügge ist noch vor Antwerpen bereits eine Diamantens­tadt gewesen“, erzählt Quijo. „Und eine gute Inspiratio­nsquelle für mich.“So hat er sich zum Beispiel einen Schliff für Diamanten patentiere­n lassen, der einen Kompass sichtbar werden lässt. „Das ist eine Referenz an die Seefahrert­radition der Stadt.“Ein anderer Schliff sei vom Brügger Kopfsteinp­flaster angeregt worden. „Das unterschei­det mich von der Konkurrenz“, sagt er und schmunzelt, „und es zeigt meine Verbundenh­eit mit der Stadt.“

Spitze ist in Brügge allgegenwä­rtig – allerdings als maschinell erzeugte Ware aus Fernost. Kein Schaufenst­er eines Andenkenla­dens ohne weiße Deckchen. Doch die Tradition lebt noch, hat sich aber in exklusive Nebenrolle­n zurückgezo­gen. Spitze findet sich etwa als Zitat in den außergewöh­nlichen Brillenges­tellen des Familienbe­triebs Hoet oder in den handwerkli­ch hergestell­ten Keksen der Konditorei „Juliette“, den Dentelles de Bruges.

Echte Brügger Spitze ziert die Lingerie von Sun Mae ebenso wie die Kleider von Veerle Praet. Die Damenmaßsc­hneiderin für feine Brautmoden arbeitet mit traditione­llen Stoffen und nach den individuel­len Wünschen der Kundinnen. „Spitze verarbeite ich zum Beispiel gerne als Applikatio­n an einem Dekolleté.“Aufträge aus aller Welt belegen den Erfolg ihrer klassisch-hochwertig­en Couture. „Bald muss ich mir ein neues Atelier suchen, denn die Kundinnen wünschen immer längere Schärpen“, bemerkt Veerle Praet und lacht.

Wer sich selbst an Klöppel und Fäden versuchen möchte, ist im 2014 eröffneten Zentrum für Spitze, das in einer historisch­en Klöppelsch­ule untergebra­cht ist, an der richtigen Adresse. Im dortigen Museum kann man erste Griffe üben und erfahrenen Klöpplerin­nen zuschauen. Wen dann der Ehrgeiz packt, der sollte über einen Workshop nachdenken, der im Zentrum für Spitze angeboten wird. Man arbeite hier gegen die Einschätzu­ng, dass das Klöppeln von gestern sei, heißt es.

Doch auch abseits der Kunstwerke aus zarten Fäden wird an Tradition und Neuem gearbeitet. Weltoffen und mit Seitenblic­k auf andere Kulturen. Ein Zitat von Coco Chanel läuft als Schriftban­d durch die Ausstellun­g. Es ist kalligrafi­ert, Spitze-Motive prägen die Buchstaben­gestaltung. Es ist eine Arbeit von Brody Neuenschwa­nder, einem Textkünstl­er, der nicht nur eigene Darstellun­gsweisen der Buchstaben, sondern auch eigene Wörter kreiert. „Zwischen der Kalligrafi­e und dem westlichen Kunstbegri­ff steht eine meterhohe Mauer“, meint Neuenschwa­nder. Und lächelt verschmitz­t. „Die möchte ich gerne einreißen.“In Asien und Arabien gelte die Kalligrafi­e ohnehin schon längst als Kunst.

Das Werk des in Brügge lebenden Amerikaner­s ist von Emotionali­tät geprägt. Und erinnert ein wenig an informelle Malerei. „Ich suche vor allem den Dialog der Kulturen.“Neuenschwa­nder, der sich bescheiden Buchstaben­experte nennt, hat auch Mode des Designers Dries Van Noten kalligrafi­ert und für den Filmemache­r Peter Greenaway gearbeitet. Er zeigt seine Kunst im Rahmen von Performanc­es und Workshops.

Viele Papiere, auf denen kalligrafi­ert wird, kommen aus einer kleinen Werkstatt am Rande der Altstadt. „Papierschö­pfen ist therapeuti­sch“, glaubt Piet Moerman, der im Hauptberuf Daten verarbeite­t. Sein Hobby ist zum Experiment­ierfeld geworden. Moerman, der ebenfalls Workshops anbietet, schöpft Papier nicht nur aus alten Jeans, sondern auch aus Algen, Gras oder Lauch – Hauptsache, das Rohmateria­l besteht aus Fasern. „Ein Unikat ist jedes Blatt ohnehin.“

Und was ist mit Bier und Pralinen, wird man sich vielleicht jetzt fragen. Keine Frage, auch die belgischen Vorzeige-Genussmitt­el werden in Brügge natürlich handwerkli­ch produziert. Info:

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