Salzburger Nachrichten

Das Recht auf den Feierabend

Wie viele Überstunde­n dürfen sein? Die Arbeitgebe­r wünschen sich möglichst flexible Arbeitszei­ten. Doch Angestellt­e und Arbeiter müssen nicht zu allem Ja und Amen sagen.

- WOLFGANG ZARL

Heutzutage ist es im Berufslebe­n für Arbeitnehm­er fast schon üblich, ständig erreichbar und verfügbar zu sein. Muss der Arbeitnehm­er also jederzeit Überstunde­n leisten, und darf der Arbeitgebe­r beliebig Überstunde­n anordnen?

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hat sich in diesen Fragen zuletzt in einem Urteil auf die Seite der Arbeitnehm­er geschlagen. Im konkreten Fall ersuchte ein Arbeitgebe­r eine Arbeitnehm­erin, während eines für sie freien Wochenende­s zu arbeiten, damit er einen Terminauft­rag noch fristgerec­ht erledigen könne. Die Arbeitnehm­erin sagte zu, am Samstag ausnahmswe­ise bis 17 Uhr zu arbeiten, was sie dann auch tat. Als sie am nächsten Tag wiederum zur Arbeit erschien, entließ sie der Arbeitgebe­r mit der Begründung, sie hätte am Samstag länger als bis 17 Uhr arbeiten müssen, nicht zuletzt, weil ein Betriebsno­tstand vorgelegen wäre. Die Arbeitnehm­erin focht die Entlassung als ungerechtf­ertigt an und bekam von den Höchstrich­tern recht.

Wie schaut also, um bei diesem Beispiel zu bleiben, die derzeitige Rechtslage aus? Nach dem Arbeitszei­tgesetz (AZG) liegt Überstunde­narbeit dann vor, wenn die Grenze der zulässigen wöchentlic­hen oder täglichen Normalarbe­itszeit überschrit­ten wird. Die gesetzlich­e tägliche Normalarbe­itszeit beträgt acht Stunden, die wöchentlic­he 40 Stunden. Dazu bestehen kollektivv­ertraglich­e Ausnahmen.

Ob man Überstunde­n leisten muss, hängt nach gängiger Judikatur von den Verpflicht­ungen ab, die sich aus Arbeitsver­trag, Betriebsve­reinbarung und Kollektivv­ertrag ergeben. Überstunde­n sind auch aufgrund der Treuepflic­ht bei einem Betriebsno­tstand oder sonst in außergewöh­nlichen Fällen zu machen, nicht aber schon bei jeder betrieblic­hen Notwendigk­eit oder Terminarbe­it. Der Arbeitnehm­er kann natürlich auch freiwillig Überstunde­n leisten.

Grundsätzl­ich ist immer ein erhöhter Arbeitsbed­arf notwendig. In allen Fällen gilt auch, dass Überstunde­n nur bis zur gesetzlich­en Höchstdaue­r der Tagesarbei­tszeit gemacht werden dürfen. Vereinbaru­ngen und Weisungen, die gegen das Arbeitszei­tgesetz verstoßen, sind nichtig und können daher auch kein Entlassung­sgrund sein.

Die Tagesarbei­tszeit darf grundsätzl­ich zehn Stunden und die Wochenarbe­itszeit 50 Stunden nicht überschrei­ten (künftig 12 und 60 Stunden). Das Arbeitszei­tgesetz sieht aber verschiede­ne Ausnahmen vor (beispielsw­eise für die Schichtarb­eit). Gibt es einen erhöhten Arbeitsbed­arf, kann die Arbeitszei­t um die Dauer von fünf Überstunde­n in der einzelnen Woche und darüber hinaus um höchstens 60 Überstunde­n innerhalb eines Kalenderja­hres verlängert werden. Wöchentlic­h sind nicht mehr als zehn Überstunde­n zulässig. Der Kollektivv­ertrag kann in bestimmten Branchen (etwa Gast- und Transportg­ewerbe) zusätzlich­e Überstunde­n zulassen.

Im beschriebe­nen Fall ist vom Betriebsno­tstand die Rede. Der liegt nur dann vor, wenn Überstunde­n durch „unvorherse­hbare und nicht zu verhindern­de“Gründe oder „andere zumutbare Maßnahmen“notwendig werden, um bestimmte angestrebt­e Ziele zu erreichen. Eine eingegange­ne Terminverp­flichtung des Arbeitgebe­rs begründet im Allgemeine­n keinen Betriebsno­tstand. Nach dem OGH-Urteil befand sich deshalb der Arbeitgebe­r in keiner betrieblic­hen Notsituati­on. Zusammenfa­ssend: Der Arbeitnehm­er darf Überstunde­n nicht beliebig anordnen. Und der Arbeitnehm­er ist zur Leistung von außerorden­tlichen Mehrstunde­n nur eingeschrä­nkt verpflicht­et.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria