Das Recht auf den Feierabend
Wie viele Überstunden dürfen sein? Die Arbeitgeber wünschen sich möglichst flexible Arbeitszeiten. Doch Angestellte und Arbeiter müssen nicht zu allem Ja und Amen sagen.
Heutzutage ist es im Berufsleben für Arbeitnehmer fast schon üblich, ständig erreichbar und verfügbar zu sein. Muss der Arbeitnehmer also jederzeit Überstunden leisten, und darf der Arbeitgeber beliebig Überstunden anordnen?
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in diesen Fragen zuletzt in einem Urteil auf die Seite der Arbeitnehmer geschlagen. Im konkreten Fall ersuchte ein Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin, während eines für sie freien Wochenendes zu arbeiten, damit er einen Terminauftrag noch fristgerecht erledigen könne. Die Arbeitnehmerin sagte zu, am Samstag ausnahmsweise bis 17 Uhr zu arbeiten, was sie dann auch tat. Als sie am nächsten Tag wiederum zur Arbeit erschien, entließ sie der Arbeitgeber mit der Begründung, sie hätte am Samstag länger als bis 17 Uhr arbeiten müssen, nicht zuletzt, weil ein Betriebsnotstand vorgelegen wäre. Die Arbeitnehmerin focht die Entlassung als ungerechtfertigt an und bekam von den Höchstrichtern recht.
Wie schaut also, um bei diesem Beispiel zu bleiben, die derzeitige Rechtslage aus? Nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG) liegt Überstundenarbeit dann vor, wenn die Grenze der zulässigen wöchentlichen oder täglichen Normalarbeitszeit überschritten wird. Die gesetzliche tägliche Normalarbeitszeit beträgt acht Stunden, die wöchentliche 40 Stunden. Dazu bestehen kollektivvertragliche Ausnahmen.
Ob man Überstunden leisten muss, hängt nach gängiger Judikatur von den Verpflichtungen ab, die sich aus Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung und Kollektivvertrag ergeben. Überstunden sind auch aufgrund der Treuepflicht bei einem Betriebsnotstand oder sonst in außergewöhnlichen Fällen zu machen, nicht aber schon bei jeder betrieblichen Notwendigkeit oder Terminarbeit. Der Arbeitnehmer kann natürlich auch freiwillig Überstunden leisten.
Grundsätzlich ist immer ein erhöhter Arbeitsbedarf notwendig. In allen Fällen gilt auch, dass Überstunden nur bis zur gesetzlichen Höchstdauer der Tagesarbeitszeit gemacht werden dürfen. Vereinbarungen und Weisungen, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, sind nichtig und können daher auch kein Entlassungsgrund sein.
Die Tagesarbeitszeit darf grundsätzlich zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten (künftig 12 und 60 Stunden). Das Arbeitszeitgesetz sieht aber verschiedene Ausnahmen vor (beispielsweise für die Schichtarbeit). Gibt es einen erhöhten Arbeitsbedarf, kann die Arbeitszeit um die Dauer von fünf Überstunden in der einzelnen Woche und darüber hinaus um höchstens 60 Überstunden innerhalb eines Kalenderjahres verlängert werden. Wöchentlich sind nicht mehr als zehn Überstunden zulässig. Der Kollektivvertrag kann in bestimmten Branchen (etwa Gast- und Transportgewerbe) zusätzliche Überstunden zulassen.
Im beschriebenen Fall ist vom Betriebsnotstand die Rede. Der liegt nur dann vor, wenn Überstunden durch „unvorhersehbare und nicht zu verhindernde“Gründe oder „andere zumutbare Maßnahmen“notwendig werden, um bestimmte angestrebte Ziele zu erreichen. Eine eingegangene Terminverpflichtung des Arbeitgebers begründet im Allgemeinen keinen Betriebsnotstand. Nach dem OGH-Urteil befand sich deshalb der Arbeitgeber in keiner betrieblichen Notsituation. Zusammenfassend: Der Arbeitnehmer darf Überstunden nicht beliebig anordnen. Und der Arbeitnehmer ist zur Leistung von außerordentlichen Mehrstunden nur eingeschränkt verpflichtet.