Vertreibung und Völkermord
In der frühen Neuzeit „entdeckten“Europäer neue Welten und gründeten Kolonien in Afrika und Amerika. Die Neuankömmlinge fühlten sich den Ureinwohnern weit überlegen und sahen sich im Recht, wenn sie diese brutal aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Um die Nutzung des Landes – viele indigene Völker lebten als Jäger und Sammler, während die Siedler Weide- und Landwirtschaft betrieben – entzündeten sich Konflikte, die zu oft in einem kolonialen Genozid (treffender: Siedlergenozid) gipfelten. In Australien gründeten die Briten 1788 eine erste offizielle Kolonie; lebten davor geschätzt eine Million Aborigines auf dem Kontinent, waren es um 1911 nur noch 31.000. Auch auf der britischen Inselkolonie Van Diemen’s Land (seit 1856 Tasmanien) endete das harmonische Zusammenleben zwischen Ureinwohnern und den anfangs wenigen Siedlern in Gewalt, als Land und Ressourcen knapp wurden und die europäischen Siedler mit ihren Schafen die Jagdgebiete der Einheimischen zurückdrängten. Im sogenannten „Black War“mit seinem Höhepunkt in den 1820er-Jahren fielen die Ureinwohner mehreren Massakern zum Opfer. Von den um 1800 auf Van Diemen’s Land lebenden 8000 Aborigines überlebten nur etwa 200, die in Reservate gepfercht wurden und häufig Krankheiten erlagen; Ende der 1840er-Jahre wurden hier nur noch 47 gezählt. Koloniale Methoden des Völkermords wie Zwangsdeportationen und Konzentrationslager fanden im 20. Jahrhundert ihren Weg zurück nach Europa. Buchtipp: Norman M. Naimark: Genozid. Völkermord in der Geschichte (Theiss). Alexandra Bleyer