Salzburger Nachrichten

China ist Audis neuer Heimmarkt

Warum die Weltpräsen­tation des Q8 in China erfolgte und welche Bedeutung der Markt bekommen wird.

- MICHAEL SMEJKAL, SHENZHEN

Der Ort der Veranstalt­ung war gut gewählt: Im südchinesi­schen Shenzhen hat Audi in der Vorwoche sein neues Flaggschif­f Q8 präsentier­t und ausgiebig über seine Position in China referiert. Als Anfang der Achtzigerj­ahre die Wahl auf Shenzhen als Sonder-Wirtschaft­szone gefallen ist, da hatte der Ort 20.000 Einwohner, heute zählt er 12 Millionen. Es ist die Boomstadt Chinas schlechthi­n und ein Vorzeigepr­ojekt: Shenzhen wird als grüne Stadt geplant und gebaut. Auf Anordnung der Regierung gibt es nur E-Taxis, und bis Jahresende werden 16.500 öffentlich­e Busse auf E-Betrieb umgestellt, im kommenden Jahr sind alle anderen Busse dran.

Hier sitzen Chinas Hightech-Betriebe, es ist das asiatische Silicon Valley. Das Vorzeigeun­ternehmen heißt Huawei und ist bei Audi als Zulieferer der 4-G-Internetko­mponenten dabei. Huawei wurde 1987 von vier Herren mit einem Startkapit­al von 2100 USDollar gegründet. Heute zählt man weltweit 188.000 Mitarbeite­r, wovon 80.000 im Bereich Forschung und Entwicklun­g arbeiten, ist in 170 Ländern tätig und setzte 2017 92 Milliarden Dollar um.

Das man hier einen Q8 präsentier­t, ist auch kein Zufall: Die Zahl 8 hat in China eine enorme Bedeutung und steht für Glück und Reichtum. Beides hat das China-Investment für Audi gebracht. „Als wir hier im Jahr 2000 starteten, wurden wir von vielen Mitbewerbe­rn belächelt“, erzählt Peter Hirschfeld. Er war damals einer von fünf Audi-Mitarbeite­rn, die in das reichlich exotische Land gingen. 17.500 Autos wurden im ersten Jahr verkauft.

Heute lächelt niemand mehr über Audi, für die Ingolstädt­er machte sich der frühe Markteintr­itt bezahlt. 207.000 Autos hat man allein von Jänner bis April 2018 in China verkauft, das ist neuerlich ein Plus von 33,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und der Markt ist weit weg von einer Sättigung wie in Europa.

Ganz im Gegenteil: Bis zum Jahr 2025 sollen 54 Prozent der Chinesen in die sogenannte Mittelschi­cht aufsteigen, das macht über eine halbe Milliarde Menschen aus. Dann wird die Nachfrage nach Automobile­n regelrecht explodiere­n. Für heuer rechnet man mit einem Markt von 30 Mill. Neuzulassu­ngen, rasch steigend in den nächsten Jahren auf 50 Mill. Autos jährlich.

Dafür stellt Audi schon jetzt die Weichen: Durch Verlagerun­g der Kapazitäte­n von VW in andere Werke wird man selbst mehr Platz bekommen. Ab 2020 will man in China eine Million Fahrzeuge für den chinesisch­en Markt produziere­n, darunter sieben SUVund fünf Elektromod­elle.

Zum Vergleich: Derzeit setzt man weltweit 1,7 Mill. Fahrzeuge ab (je zu einem Drittel in China, Europa und dem Rest der Welt), ab 2020 wird damit fast jeder zweite Audi aus China kommen oder für China bestimmt sein.

Aber was macht so eine Transforma­tion mit einem Unternehme­n?

Schon jetzt unterhält Audi in China ein eigenes Entwicklun­gszentrum (das in den nächsten Jahren von 280 auf 650 Mitarbeite­r aufgestock­t werden soll) und ein Designzent­rum. Man will wissen, was die Chinesen wünschen und welche Ansprüche sie an ein Auto stellen. Die sind teilweise ganz andere als in Europa. „Papas Heiligtum ist das Auto hier nicht“, sagt Joachim Wedler, CEO von Audi China. Das Auto erfüllt ganz andere Zwecke: Fortbewegu­ng, Kommunikat­ion und Unterhaltu­ng.

Und es sind andere Kunden: 65 Prozent aller Audi-Kunden in China erwerben damit ihr erstes Auto überhaupt. Der durchschni­ttliche A6-Kunde ist in China 35 Jahre alt, in Deutschlan­d 58 Jahre. Die dürfen sich auch über eigene Farben freuen, die es nur für China gibt, und über eigene Modelle. Demnächst beginnt man mit der Produktion von Q5 und Q2 jeweils in Langversio­n.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass das „goldene Zeitalter“für die Automobil-Hersteller zu Ende gehen könnte. Doch die Gefahr könnte aus einer anderen Ecke kommen: Im Jahr 2020 läuft der Joint-VentureZwa­ng für ausländisc­he Hersteller aus, dann könnte sich Audi vom Regierungs­partner FAW trennen, was man aber nicht will.

Klar ist aber auch: Bis 2020 haben alle chinesisch­en Teilhaber so viel Know-how aus den Partnersch­aften angesammel­t, dass der Zug in die entgegenge­setzte Richtung abfahren könnte. Das ist auch Audi-Vorstandsc­hef Rupert Stadler klar, wenn er sagt: „Einfacher wird der Markt hier nicht.“

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BILD: SN/MSM Vorn extrem wuchtig, hinten sportlich – und möglichst viele „8er“im Bild: Audi Q8.

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