Das Grazer Schauspielhaus hat eine „Bürger*innenbühne“gegründet.
GRAZ. Im Theater gehe es darum, Räume zu öffnen, sagt Iris Laufenberg, Intendantin am Grazer Schauspielhaus. Gemeint sind Denkräume, Spielräume und Möglichkeitsräume. Um mit dem Publikum noch mehr als bisher „ins Gespräch zu kommen“, hat Laufenberg eine „Bürger*innenbühne“gegründet. Graz folgt damit einem europaweiten Trend, der darauf abzielt, gemeinsam mit dem Publikum Stücke außerhalb des dramatischen Kanons zu entwickeln und auch zur Aufführung zu bringen.
In St. Pölten und Salzburg hat es bereits gelungene Bürgertheater-Aufführungen gegeben, ab der Spielzeit 2018/19 werden auch die Grazer Bürger die Möglichkeit haben, sich unter professionellen Bedingungen an insgesamt drei Stücken aktiv zu beteiligen. „Wir haben uns auf das neue Format rund ein Jahr vorbereitet und uns insbesondere mit einem ähnlichen Projekt im Staatsschauspiel Dresden ausgetauscht“, berichtet Laufenberg. Ab kommendem September werden unter dem Motto „Schöne neue Welt“also „Experten des Alltags“gesucht, die zu unterschiedlichen Themen etwas zu sagen haben. Wichtig dabei: Für die Teilnahme sind keine Theatervorkenntnisse erforderlich.
Die drei Stücke der „Bürger*innenbühne“werden auf allen drei Bühnen des Hauses gespielt. Im Haus Eins wird „Familie 2.0“, ein Projekt über das Zusammenleben, zur Aufführung gebracht. „Ich freue mich auf alle Geschichten, die aus Graz kommen werden“, sagt Regisseurin Uta Plate. Für die performative Untersuchung, ob denn die traditionelle Familie ein Auslaufmodell sei, werden auch rund 30 bis 40 Personen gesucht, die in Chören – unter anderem im „Chor der einsamen Einzelkinder“– auftreten sollen. Das Haus Zwei ist der Spielort für „Leonce und Lena suchen einen Ausweg“, ein Bühnenstück, in dem Burn-out und Überarbeitung thematisiert werden. „Wir suchen Junge und Alte, die uns etwas über Arbeit und Faulheit berichten“, sagt Regisseur Simon Windisch.
In der dritten Premiere der „Bürger*innenbühne“geht es um die Arbeit an der Welt von morgen. Der Titel ist gleichlautend wie der Roman, auf dem der Film „Blade Runner“basiert: „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“Die „Bürger*innenbühne“ist für Intendantin Laufenberg der Versuch, „etwas für die Auseinandersetzung, das analoge Miteinander“zu tun: „Wir wollen etwas gegen die Einsamkeit unternehmen, gegen die Filterblasen, gegen das Schweigen und die Gräben zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, oben und unten, Österreichern und Migranten.“