Salzburger Nachrichten

Der unverkennb­are Sound des Hämmern und Klickens

Die Schreibmas­chine feiert ihren 150. Geburtstag. Warum manche Schriftste­ller bis heute eine Hassliebe zu ihr pflegen und es die QWERTZ-Tastatur gibt.

- CHRISTOF BOCK SN, dpa

Sie heißen Erika, Olympia oder Valentine: Schreibmas­chinen gehören zum 20. Jahrhunder­t wie Röhrenfern­seher und Plattenspi­eler. 48 Tasten und ein Ratschen, Hämmern und Klicken, wie es keine lichtgraue Computerta­statur zu erzeugen vermag. Vor genau 150 Jahren – am 23. Juni 1868 – meldete die US-Rüstungsfi­rma Remington die erste industriel­l gefertigte Maschine zum Patent an.

Im Gegensatz zu ihren Vorläufern hatte diese „Sholes-Glidden“die bis heute auch für Computer gültige Tastatur. „Unter der Zahlenreih­e stehen die Buchstaben Q, W, E, R, T, Z – das ist die sogenannte QWERTZ-Tastatur“, erläutert Winfrid Glocker. Er ist am Deutschen Museum Konservato­r für Papier-, Druck-, Textil- und Bürotechni­k. „Zuerst haben die Erfinder es mit einer alphabetis­ch angeordnet­en Tastatur versucht, dann aber gemerkt: Sie müssen die Anschläge gleichmäßi­g auf die linke und rechte Hand verteilen.“Im englischen Sprachraum tauschen das Y und das Z dabei den Platz.

Ursprüngli­ch war die Schreibmas­chine als Hilfsmitte­l für extrem kurzsichti­ge oder blinde Menschen gedacht. Technische Verbesseru­ngen um die Jahrhunder­twende machten den weltweiten Siegeszug möglich. Die Vorteile: Alles war gut lesbar und eine Kopie dank Durchschla­g inbegriffe­n.

Zu den wenigen, die um jeden Preis weiter von Hand schreiben wollten, zählte Literaturn­obelpreist­räger Thomas Mann. Er hat sich zusichern lassen, dass er Manuskript­e als Manuskript­e abliefern durfte und nicht als Typoskript.

„Die Buddenbroo­ks“schrieb er ebenso von Hand wie „Felix Krull“. Damals wurden die Autoren längst verpflicht­et, Texte getippt abzuliefer­n, also selbst zu tippen oder tippen zu lassen. Schreibmas­chinen waren weltweit omnipräsen­t. Die Kugelkopfm­aschine löste mit eigener Korrekturt­aste die letzte Tücke.

Dennoch bedeutete die Maschine für viele Menschen eine Plackerei. J. R. R. Tolkien, Professor für ein vergleichs­weise exotisches Fach, hatte nicht das Geld, eine Schreibkra­ft „Herr der Ringe“tippen zu lassen. Er musste das dickleibig­e Manuskript selbst drei Mal abtippen.

Klaus Neudeck war 16 Jahre alt, als er 1960 beim deutschen Schreibmas­chinenries­en Olympia anfing. „Wir haben in den Spitzenzei­ten zwischen 1960 und 1970 pro Jahr eine Million Maschinen weltweit verkauft und hatten 17 Tochterges­ellschafte­n auf der ganzen Welt.“Dann wurde Olympia an ein chinesisch­es Unternehme­n verkauft.

Mit der Zeit sind die Schreibmas­chinen auf die Dachboden gewandert. Ab den 1970ern machten Computer der Schreibmas­chinenindu­strie den Garaus, das Internet tat ein Übriges. Nur in der Abkürzung „CC“für den zweiten E-Mail-Empfänger lebt die Schreibmas­chine im Netz noch ganz praktisch fort: „CC“kommt von „Carbon Copy“(Durchschla­g mit Kohlepapie­r).

Eine Umfrage bei großen deutschspr­achigen Verlagen ergab, dass etwa John Irving, Patrick Süskind und Frederick Forsyth bis heute Schreibmas­chinenseit­en bei ihren Lektoren abliefern. Wenn das Thomas Mann wüsste.

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