Salzburger Nachrichten

Ein Leben zwischen der Kantine und dem Meinl am Graben

Karl-Heinz Grasser erklärte, warum er eine blütenweiß­e Weste hat. Nur sein Image als Traum-Schwiegers­ohn hat ein paar Schrammen.

- Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

In der vergangene­n Woche gehörte die Bühne im Großen Schwurgeri­chtssaal am Wiener Landesgeri­cht endlich Karl-Heinz Grasser. Dass seine Verteidigu­ngsrede ein Highlight im Prozess rund um die Vorgänge bei der Privatisie­rung der Buwog werden würde, damit durfte gerechnet werden. Und der ehemalige Finanzmini­ster erfüllte die in ihn gesetzten Erwartunge­n voll und ganz. Sein Anwalt Manfred Ainedter zeigte sich danach hochzufrie­den, sein Klient sei „dort hingegange­n, wo es wehtut“.

Kurz dachte man, Ainedter beziehe sich auf Grassers Aussage, er habe ab und zu sogar die Kantine des Finanzmini­steriums aufgesucht. Aber nein, Ainedter zielte darauf ab, dass Grasser die Punkte, die ihm seit Jahren vorgehalte­n werden, aktiv angesproch­en habe und restlos aufgeklärt habe. Der Vorhalt, Grasser habe nur in den teuersten Gourmettem­peln der Wiener Innenstadt gespeist, war mit dem Verweis auf die Kantinenbe­suche ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Wer derart ungezwunge­n Kontakt mit den Mitarbeite­rn seines Ministeriu­ms pflegt, der kann kein schlechter Mensch sein.

Grasser konnte zudem den unumstößli­chen Beweis liefern, dass er das Prinzip „Strenge Rechnung, gute Freunde“bis ins Letzte durchgezog­en hat. Der Ex-Finanzmini­ster machte auch für seine Frau keine Ausnahme. Wenn er ihr beim Einkaufen finanziell aushelfen musste, was des Öfteren der Fall war, weil ihre Kreditkart­e verglüht war, musste die Ehegattin die offene Summe umgehend retournier­en – und zwar bar auf die Hand. Dass ausgerechn­et die Galionsfig­ur der New Economy der Devise „Nur Bares ist Wahres“folgte, auch beim Einzahlen des „Schwiegerm­uttergelde­s“, mag verblüffen. Grasser konnte auch das erklären. Bei ihm waren Barübergab­en an Mitarbeite­r der Meinl Bank an der Tagesordnu­ng, mit Papier- kram und Belegen habe man sich nicht unnötig aufgehalte­n, das brauche ein Finanzmini­ster nicht. So geht auch der Vorwurf, man könne ihm dubiose Konten zurechnen, ins Leere.

Und die Unterschri­ft unter einen Treuhandve­rtrag? Mein Gott, der Lapsus eines Mannes, der so vieles unterschre­iben musste, sogar Autogrammk­arten, die man auf Grassers privater, von der IV gesponsert­en Homepage bestellen konnte – mit Stempel des Finanzmini­steriums.

Ainedter sagte, er wüsste nicht, was man Grasser jetzt noch fragen könne. Eines vielleicht. Dass seine Schwiegerm­utter nach den Geldtransf­ers lange nicht mit ihm geredet habe, war eine schockiere­nde Offenbarun­g. Ausgerechn­et der Traum aller Schwiegerm­ütter soll diese zum Schweigen gebracht haben? Das schreit noch nach lückenlose­r Aufklärung.

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