Hippologie
Es gibt einen Vorschlag zur Neugestaltung der Pferdeschwemme auf dem Salzburger Herbert-von-Karajan-Platz. Ende des 17. Jahrhunderts nach Plänen des Architekten Fischer von Erlach erbaut, hat diese bereits einige Veränderungen über sich ergehen lassen müssen. Die Pferde-Fresken an der hinteren Schauwand wurden 1732 vom Barockmaler Franz Anton Ebner neu gestaltet, eine Balustrade um das Becken wurde errichtet, der marmorne Rossebändiger gedreht und auf einen neuen Sockel gestellt. Im 20. Jahrhundert schließlich etablierte sich das Gelände der angrenzenden Pferdestallungen langsam als der Salzburger Festspielbezirk, als den wir ihn heute kennen, und wo früher Heu, ist heute Gold. Doch die Zeit galoppiert und wir hinterher, und manchem wären wie Pegasos die Flügel gewachsen, hätte er einen Blick in die Style Bible, diesen Knigge zur Lösung der komplexen Probleme der Gegenwart, riskiert.
Die hinter der Pferdeschwemme liegende abschüssige Felswand des Mönchsbergs muss jedenfalls weg. Ob versetzt, gedreht oder zur Gänze geschleift – die sogenannte Style Bible des diesjährigen Life Balls liefert die Vorlage und ersetzt die selbstmörderische Wand kurzerhand durch einen funkelnden Sternenhimmel, zu sehen auf Seite 8 der digitalen Ausgabe auf der Website des Life Balls. Sie löst die Pferde vom Bildhintergrund und setzt dieselben etwas weiter nach vorn ins Becken. Auf dem Rücken der Pferde liegen das Glück der Erde und wichtige Persönlichkeiten in güldenen Gewändern. In ihrer Visualisierung zur Umgestaltung der Pferdeschwemme schlägt die Style Bible folgende Dienstleisterinnen für diese Aufgabe vor: Desi Treichl-Stürgkh, Nicole Beutler, Maria Happel, Erni Mangold, Anna Netrebko und so weiter bis Dagmar Koller, allesamt als Äbtissinnen im goldenen Habit samt Flügelhaube. Um den marmornen Rossebändiger, der alle Hände voll zu tun hat, drapiert die Style Bible einen weißen Engel und den schwarzen Tod. Vom Engel geht ein Strahlen aus, das die gesamte Szenerie erleuchtet und das Wasser türkis färbt. Vor der Balustrade steht nun Conchita mit Bart und tollem Augen-Make-up, den Körper in ein weißes Novizinnengewand gehüllt und das Kreuz über ihre gefalteten Hände gelegt. Um sie herum haben sich Elevinnen gruppiert, eine jede mit Schleier im Haar.
Das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop ist uns voraus, denn in hellen Farben pixelt und rührt es eine neue Pferdeschwemme zusammen, an der wir unseren verzweifelten Durst stillen können. Plötzlich passt alles so friedlich zusammen, Queerness, Katholizismus, die rot-weiß-rote Nationalflagge, Jedermann, Sound of Music, Charity, Sex, Ethno-Hipstertum, Aufklärung, Heimattümelei, Aids, Tourismus, Hollywood, C-Prominenz, Lifestyle, Edelweiß, Mode, Faschismus oder Antifaschismus oder wie das alles heißt: dieser ganze Content, den nur eine stilsichere Textagentur mitliefern kann. Ich zitiere daher aus der Style Bible, Seite 11: „WIE HERZZERREISSEND – die erste Romanze! Und wie tragisch: der Verrat ebendieser. Bei einem geheimen Treffen im Mondlicht treffen sich die erblühende Trapp-Tochter und ihr schmissiger Liebhaber zum Tanz. Später wird er sich von ihr kaltblütig abwenden und opfert die junge Liebe am Altar eines falschen Führers. Naivität und Uninformiertheit können ein trauriges Ende nehmen.“– Treffender könnte es auch ein Pferd ohne Reiter nicht formuliert haben.
Teresa Präauer ist Schriftstellerin.