DIE ILLUSTRIERTE KOLUMNE
Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wir sind Österreicher, wir kommen aus Österreich und wir bleiben in Österreich. So könnte der Kurzbefund lauten. Irgendwo im Gai steht der Hof, auf dem die Familie vor Urzeiten begonnen hat, Äcker zu bestellen, das Vieh zu melken, aus Zirben Stuben zu zimmern und aus Gartenäpfeln Schnaps zu brennen. Und falls das nicht so ist, dann waren wir schon früh tapfere Ritter und wunderschöne Burgfräulein. Und schwelgten in Minne und Wein. Wir waren schon immer da und das soll so bleiben.
Tatsächlich liegen die Dinge ganz anders. Es waren auch Mägde und Knechte unter unseren Vorfahren und dem Schlittern der Zeiten geschuldet Unbekannte, Durchziehende, Soldaten, Invasoren. Wer sich der Mühe hingibt, die Familiengeschichte zu erforschen, wird auch bei Vorliegen lupenreiner Bürgerlichkeit in der eigenen Genetik eine Geschichte der Migration finden. Flucht, Vertreibung mögen die Ursachen gewesen sein, in der Regel aber waren es wirtschaftliche Gründe, den Wohnsitz zu verlegen und damit die Chancen zu vergrößern. Das Entstehen und das Wachstum der Städte wären ohne Migration und Willkommenskultur nicht denkbar.
Existiert Heimat, wenn wir alle Vagantenkinder sind? Ist sie nicht schiere Konstruktion, politische, kulturelle, ideologische, soziale? Ein Gefäß, in dem wir unsere Hoffnungen, Ängste und Erinnerungen zu Gefühlen verrühren? Gibt es Heimat in der Fremde? Gewiss. Wenn wir unser Handtuch auf die Liege am Hotelpool legen, produzieren wir Heimat. Und Identität.