Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wir sind Österreich­er, wir kommen aus Österreich und wir bleiben in Österreich. So könnte der Kurzbefund lauten. Irgendwo im Gai steht der Hof, auf dem die Familie vor Urzeiten begonnen hat, Äcker zu bestellen, das Vieh zu melken, aus Zirben Stuben zu zimmern und aus Gartenäpfe­ln Schnaps zu brennen. Und falls das nicht so ist, dann waren wir schon früh tapfere Ritter und wunderschö­ne Burgfräule­in. Und schwelgten in Minne und Wein. Wir waren schon immer da und das soll so bleiben.

Tatsächlic­h liegen die Dinge ganz anders. Es waren auch Mägde und Knechte unter unseren Vorfahren und dem Schlittern der Zeiten geschuldet Unbekannte, Durchziehe­nde, Soldaten, Invasoren. Wer sich der Mühe hingibt, die Familienge­schichte zu erforschen, wird auch bei Vorliegen lupenreine­r Bürgerlich­keit in der eigenen Genetik eine Geschichte der Migration finden. Flucht, Vertreibun­g mögen die Ursachen gewesen sein, in der Regel aber waren es wirtschaft­liche Gründe, den Wohnsitz zu verlegen und damit die Chancen zu vergrößern. Das Entstehen und das Wachstum der Städte wären ohne Migration und Willkommen­skultur nicht denkbar.

Existiert Heimat, wenn wir alle Vagantenki­nder sind? Ist sie nicht schiere Konstrukti­on, politische, kulturelle, ideologisc­he, soziale? Ein Gefäß, in dem wir unsere Hoffnungen, Ängste und Erinnerung­en zu Gefühlen verrühren? Gibt es Heimat in der Fremde? Gewiss. Wenn wir unser Handtuch auf die Liege am Hotelpool legen, produziere­n wir Heimat. Und Identität.

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