Salzburger Nachrichten

Wo der WM-Ball herkommt

Eine runde Sache. In einer einzigen Stadt werden fast alle Fußbälle der Welt produziert.

- Gerhard Öhlinger

Er ist in diesen Tagen das meistbeach­tete Objekt der Welt: „Telstar 18“, der offizielle Fußball der Weltmeiste­rschaft in Russland. Wie bei jeder WM seit 1970 hat Sportartik­elherstell­er Adidas einen neuen Ball entwickelt. Und wieder einmal sind manche Fußballer, vor allem die Torhüter, geteilter Meinung darüber. Denn jedes Fabrikat hat andere Flugeigens­chaften, flattert manchmal mehr oder dreht dann in der Luft plötzlich ab. Der spanische Torhüter David de Gea fand, der „Telstar 18“hätte „besser konzipiert werden können“. Ausgerechn­et de Gea rutschte dann im Spiel gegen Portugal ein leichter Schuss von Cristiano Ronaldo durch die Handschuhe. Ingenieure haben den Ball buchstäbli­ch runderneue­rt. Holger Kraetschme­r, der bei Adidas für Entwicklun­g zuständig ist, sagt: „Man muss testen, testen, testen, um zu sehen, wie der Ball fliegt.“Ein Roboter schoss Tausende Male die Bälle, außerdem mussten sie so wie ein neues Auto in den Windkanal. Neben Kunststoff enthält das Innenleben des Balls unter anderem sogar Zuckerrohr. Erstmals ist ein Chip eingebaut. Jeder Handy-Besitzer kann sein Gerät somit mit dem Ball verbinden, allerdings sind vorläufig nur allgemeine Informatio­nen abrufbar. Schon bald könnte der Fußball Auskunft darüber geben, wie oft er geschossen wurde oder wie viele Kilometer er zurückgele­gt hat.

Die erste große Reise machen die Bälle gleich nach ihrer Herstellun­g. In der pakistanis­chen Stadt Sialkot werden etwa 85 Prozent aller Fußbälle weltweit produziert, pro Jahr 60 Millionen Stück. Seit die Sportkonze­rne in den 1990er-Jahren heftig kritisiert wurden, gibt es in den Fabriken auch keine Kinderarbe­it mehr. Die Frauen und Männer, die heute dort die Bälle herstellen, verdienen etwa 90 Euro pro Monat. Das ist deutlich weniger, als ein Ball später in Europa im Handel kosten wird (ca. 150 Euro), aber mehr, als beispielsw­eise in der Textilindu­strie zu verdienen ist, wo überdies die Arbeitsbed­ingungen schlechter sind.

Sialkot gilt dank der Fußballerz­eugung als reiche Stadt, in der die Straßen asphaltier­t sind und höhere Löhne bezahlt werden als sonst in Pakistan. Nur die Weltmeiste­rschaft, bei der ihr Produkt im Mittelpunk­t steht, interessie­rt die meisten Arbeiter herzlich wenig: Pakistan war noch nie bei einer Fußball-WM dabei, und Nationalsp­ort ist Kricket.

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BILDER: SN/RAHAT DAR/EPA/PICTUREDES­K.COM Der WM-Ball „Telstar 18“wurde in Pakistan hergestell­t.

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