Salzburger Nachrichten

Supermärkt­e bieten immer häufiger Paketreise­n an ausgefalle­ne Ziele an. Aber wie nachhaltig ist der neue Trend?

Menschenle­ere Wildnis, Schnee und Eis abseits von Skipisten. Supermärkt­e bieten immer öfter Paketreise­n an ausgefalle­ne Ziele an. Aber wie nachhaltig ist der neue Trend? Und wo liegen die letzten Grenzen des Erreichbar­en?

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WIEN. Spätestens jetzt erreicht die Reiselust den Höhepunkt. Manche haben bereits die Vorsaison für den Urlaub genutzt, andere – vor allem jene mit Schulkinde­rn – verreisen in den Schulferie­n. Und manche schwimmen gegen den Strom, sie brechen jetzt auf nach Grönland, Sibirien oder in die Antarktis.

Noch ist es eine Besonderhe­it, aber Beobachter sprechen bereits von einem neuen Trend. Aber nicht etwa für jugendlich­e Extremreis­ende, sondern durchaus für eine gesetztere Klientel, die Sicherheit und ein gewisses Maß an Komfort zu schätzen weiß. Solche Angebote für „coole Reisen“finden sich seit einiger Zeit auch bei den großen Lebensmitt­elmärkten.

Ein Beispiel dafür ist eine 14-tägige Rundreise durch Sibirien inklusive fünf Übernachtu­ngen in der Transsibir­ischen Eisenbahn, Halboder Vollpensio­n samt Flug und deutschspr­achiger Reisebegle­itung ab 2999 Euro pro Kopf, die Hofer Reisen kürzlich angeboten hat. Mit angepriese­nen Highlights wie Baikalsee, Wladiwosto­k samt Tokarewski­j-Leuchtturm, Krasnojars­k mit Granitform­ationen namens „Großmutter“oder „Bauchoben“oder die lange Zeit für westliche Besucher gesperrte Stadt Omsk mit der Uspenskij-Kathedrale, der angeblich schönsten Kirche Sibiriens. Ähnliche Angebote kommen immer wieder ins Programm, auch bei anderen Lebensmitt­elmärkten wie Billa, Spar, Merkur, Lidl oder Penny.

Die Nachfrage nach solchen Reisen sei „sehr gut“, heißt es. Freilich sei das Volumen insgesamt – gemessen an gängigeren Zielen – recht überschaub­ar, räumt man ein. Es gehe aber gar nicht so sehr um die absolute Anzahl von Reisenden, sondern darum, „Kunden immer wieder mit neuen Reisen zu überrasche­n“, erklärt Hofer Reisen.

Hinter der Nachfrage nach solchen Angeboten stecke die Sehnsucht nach einem „behüteten Abenteuer“auch für Otto Normalverb­raucher, sagt Freizeitfo­rscher Peter Zellmann. Die von Extremspor­tlern oder spezialisi­erten Bloggern erlebten und ausführlic­h beschriebe­nen Erlebnisse erzeugten eine (Markt-)Nische, die dann von Veranstalt­ern geschickt mit Pauschalan­geboten aufgefüllt werden könne. Vorbild sind frühere echte Abenteuer etwa eines Reinhold Messner, mit dem die heutigen Supermarkt­angebote freilich nichts mehr zu tun haben.

Was zunächst aussehe wie ein Widerspruc­h in sich – ein Abenteuer, gut abgesicher­t und durchorgan­isiert –, finde sein Zielpublik­um vor allem in der Gruppe derer, „die schon alles gesehen haben“und die noch Hunger auf etwas Nervenkitz­el hätten, meint Zellhofer.

Von Eintagsfli­egen kann keine Rede sein, die Sache hat System. Laufend denken Veranstalt­er über neue ungewöhnli­che Reiseerleb­nisse nach. Das Potenzial beschränke sich nicht auf „ausgefalle­ne“Gegenden, sondern auf das Besondere. „Das beginnt ja schon viel früher, das kann auch etwas sein, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe“, sagt Zellmann. Dazu könne etwa das Übernachte­n auf einem Leuchtturm gehören – ungewöhnli­ch, aber trotzdem nicht weit entfernt von einem Standardan­gebot.

Wohin geht die Reise? Die Planer lassen sich nicht in die Karten blicken. Mögliche künftige Destinatio­nen will man bei Hofer Reisen nicht verraten. Angebote der jüngeren Vergangenh­eit könnten aber Hinweise geben. Da stand „Walbeobach­tung“(Whale Watching) auf den Azoren ebenso auf dem Programm wie Rundreisen durch Moldawien oder Georgien.

Grundsätzl­ich sei gar nichts auszuschli­eßen. „Die Menschen werden immer flexibler, Reiseträum­e verschiebe­n sich, auch Destinatio­nen unterliege­n einem ständigen Wandel“, heißt es. In der heutigen Zeit sei so viel machbar wie noch nie zuvor.

In der Tat hatte das Motto „the sky is the limit“(Der Himmel ist die Grenze) niemals mehr Gültigkeit. Schon 2009 wurden Reisen ins Weltall angeboten – zehn Minuten Aufenthalt in 117 Kilometern Höhe für schlappe 209.555 Euro. Dazu kam es dann aber doch nicht, weil die ausführend­e Firma Rocketplan­e in Finanzprob­leme schlittert­e. Auch die Nachfrage soll überschaub­ar gewesen sein – obwohl es ernsthafte Interessen­ten gegeben habe, wie versichert wird.

Apropos: Bei Reisen außerhalb der Norm sollte das nötige Kleingeld vorhanden sein. Für eine 13-tägige Grönland-Intensivre­ise muss man 3279 Euro hinblätter­n. Eine spezielle Zielgruppe für solche Touren gebe es nicht, sagt Martin Fast, Geschäftsf­ührer der Rewe Austria Touristik. Vom Alter her seien die Gäste „bunt gemischt“. Längere Reisen würden aber meist von älteren Personen gebucht, was vor allem an der zur Verfügung stehenden Zeit liegt.

Ähnlich lautet die Auskunft von Hofer Reisen, hier „buchen alle, von jung bis alt, von Alleinreis­enden bis zur mehrköpfig­en Familienre­ise, vom Wochenendu­rlaub für 69 Euro bis zur Weltreise für 17.000 Euro“. Das erklärt sich mit dem offenen Konzept. Es geht vor allem darum, anspruchsv­ollere Kunden anzusprech­en, die bestehende Palette zu erweitern und sich nicht zuletzt vom Mitbewerbe­r zu unterschei­den. Und das ist gar nicht leicht, bei so viel ähnlicher Außergewöh­nlichkeit.

Mit neuen Reisen die Kunden überrasche­n

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BILD: SN/DPA/HELFRIED WEYER Reisen an ausgefalle­ne Orte – wie ins ewige Eis von Arktis und Antarktis – sind als Pauschalre­isen im Supermarkt ein neuer Trend.

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