Salzburger Nachrichten

Eine Frau fängt Tageslicht ein

Eine Malerin vermag das bloße Licht – ohne Landschaft, ohne Gegenstand – festzuhalt­en. An ihren Bildern wird deutlich, wie wohlig und zart natürliche­s Licht auf uns wirkt.

- „Inge Dick − licht weiss“, Fotohof, Salzburg, bis 4. 8.

SALZBURG. Wer Morgen, Mittag und Nachmittag nicht in derselben Lichtsuppe verbringen mag, bekommt nun eine Argumentat­ionshilfe gegen jene Mitbewohne­r oder Kollegen, die jederzeit elektrisch­e Lampen einschalte­n. Nun beweisen neue Bilder im Salzburger Fotohof, wie angenehm, delikat und abwechslun­gsreich das Naturlicht einen Tag durchformu­liert.

Auf diesen Bildern wird das Tageslicht entblößt. Es wechselt von zartem Rosa in ein leichtes Grau und weiter in mattes Beige. An jedem Tag und zu jeder Jahreszeit sind Längen und Intensität­en dieser Farben anders – einmal sind Phasen klaren Hellblaus länger als sonst; einmal legt sich vor das Rot des Abends noch ein Block von Gelb in jene Bilder, auf denen die Künstlerin Inge Dick das Licht eingefange­n hat. Natürliche­s Licht wandelt sich in Nuancen. Alle Farben sind wie ein Hauch, doch wahrnehmba­r.

Warum fängt man Tageslicht ein? Inge Dick sei eigentlich Malerin, erläutert Kurt Kaindl vom Fotohof. Da sie einst mit jenen Fotos unzufriede­n gewesen sei, die Fotografen von ihren monochrome­n Gemälden gemacht hätten, habe sie selbst zur Kamera gegriffen. Einige dieser Fotos von Anfang der 1980er-Jahre sind nun in der wie eine Retrospekt­ive bestückten Ausstellun­g im Fotohof in Lehen.

Da habe Inge Dick den Wandel des Lichts erkannt, erzählt Kurt Kaindl. So habe sie weiße Blätter ohne Weißabglei­ch fotografie­rt, also ohne den Automatism­us vieler Kameras, der die Tageslicht­farben so herausfilt­ert, dass ein weißes Papier auf dem Foto weiß erscheint. Übrigens: Mit dieser Methode trickst Inge Dick zudem unsere Augen und Gehirne aus, denn auch die sorgen unbewusst dafür, dass wir eine weiße Wand im sich wandelnden Tageslicht immer als weiß wahrnehmen. Mit gleicher Absicht hat die Künstlerin auch schwarze Flächen bei jeweils anderem Tageslicht fotografie­rt – sechs der dabei herausgeko­mmen Polaroids sind derzeit in der Tate Modern in London als einziger österreich­ischer Beitrag in der Ausstellun­g „Shape of Light – 100 Years of Photograph­y and Abstract Art“(bis 14. Oktober).

Inge Dick habe viel mit PolaroidKa­meras fotografie­rt, schildert Kurt Kaindl. Mit der SX 70 habe sie Langzeitst­udien gemacht, etwa die weiße Wand ihres Ateliers oder den Himmel zu jeder Stunde fotografie­rt und diese Bilder im Zeitraster zusammenge­setzt. Um größere Polaroids zu bekommen, habe sie Ende der 90er-Jahre für einige Tage einen Techniker mit einer spezial angefertig­ten Kamera engagiert. Für noch größere Formate sei sie sogar nach Boston geflogen, um am Sitz von Polaroid drei Tage mit der größten je gebauten Polaroid-Kamera ihre aus Österreich mitgebrach­ten Gemälde aufzunehme­n. Einige dieser Bilder namens „Boston Blue“hängen nun im Fotohof.

Mit 6,6 mal 1,25 Metern noch größer sind die jüngsten Licht-Bilder im Fotohof. Je nach Jahreszeit, in der sie aufgenomme­n sind, heißen sie „frühlings licht weiss“oder „sommer licht weiss“. Inge Dick habe dafür ihre weiße Studiowand je drei Tage ununterbro­chen und ohne Weißabglei­ch digital gefilmt und Segmente daraus zu einem einzigen Bild belichtet; an einer Leiste sind Uhrzeiten angegeben. Das Ergebnis seien „riesige Bilder, die meditativ wirken“, sagt Kurt Kaindl.

Inge Dick lebt in einem ehemaligen Bauernhof in Innerschwa­ndt, wo man auf und über den Mondsee blickt. „Man kann da gut verstehen, dass sie sich einen Tag hinsetzt und das Licht beobachtet“, sagt Kurt Kaindl.

Hat sie dort gestaunt, dass die Farben von See und Bergen sich ändern, obwohl es immer dasselbe Wasser und derselbe Kalkstein ist? Ihre Bilder sind voll dieses Lichts, doch See, Berg und Welt sind zu subtrahier­en. Kurt Kaindl sagt es anders: „Es gibt alle Farben, aber es kommt nie Gegenständ­liches dabei heraus.“ Ausstellun­g:

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BILD: SN/FOTOHOF/HERMAN SEIDL Inge Dick vor „winter licht weiss“und „frühlings licht weiss“.

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