Herr Hoffmann ist bei Gericht
Obwohl kein Jurist, ist Heinz Hoffmann so etwas wie der Grandseigneur des Wiener Landesgerichts. Den SN verriet er, warum er nahezu jeden Tag freiwillig einem Prozess beiwohnt.
Vor Menschen, die meinen, sie hätten im Grunde nicht viel zu erzählen, nehme man sich in Acht. Und zwar im positivsten Sinne. Heinz Hoffmann zählt ohne Zweifel zu dieser seltenen Spezies. Oberflächlich betrachtet ist er Pensionist. Betritt er allerdings das Wiener Straflandesgericht, dann wird er zur schillernden Figur, zur grauen Eminenz, vor der sich Richter bis hin zu ihrem Präsidenten verneigen. Sie sagen dann: „Oh, Herr Hoffmann, schön, Sie zu sehen.“Oder: „Meine Verehrung, Herr Hoffmann.“
Man könnte jetzt gemein sein und den agilen Ruheständler als Gerichtskiebitz bezeichnen. Doch diesen Ausdruck hasst er. „Das klingt so …, so …“, sagt er, sucht nach einem Wort, das ihm nicht gefällt, und macht eine abwertende Handbewegung. Prozessbeobachter? Gerichtsinteressierter? Klingt alles viel zu gespreizt. Im Endeffekt ist er der Herr Hoffmann, und jeder, der im „Grauen Haus“an der Zweierlinie regelmäßig ein und aus geht, weiß, wer damit gemeint ist.
Doch was steckt hinter der Person, und warum kommt sie fast jeden Tag hierher, um in die unterschiedlichsten Abgründe der menschlichen Seele zu blicken? „Schau’n S’, angefangen hat alles mit dem Konsum-Prozess.“Das war vor rund 20 Jahren. Heinz Hoffmann interessierte, wie es seinen ehemaligen Chefs ergehen sollte. 1994 war er als Finanzchef bei Gerngroß, den der Konsum geschluckt hatte, in Pension gegangen. Die Atmosphäre im Gerichtssaal faszinierte Hoffmann von Anfang an. „Ich hab immer bereut, dass ich nichts mit Juristerei gemacht habe.“Dabei hat er einst Welthandel studiert. 1956 sei er dann zum Gerngroß gekommen. Eher durch Zufall, wie sich Hoffmann erinnert. „Es hat mir großen Spaß gemacht. Ich hab auch samstags und sonntags gearbeitet. Es war toll.“Doch jede Ära gehe einmal zu Ende: „Sie haben halt nicht erkannt, dass man ein Kaufhaus nicht so führen kann wie im Jahr 1879.“
Wollte man mit Heinz Hoffmann ungestört plaudern, müsste man das Gerichtsgebäude verlassen. „Grüß Sie, Herr Hoffmann!“– „Grüß Sie, Frau Rat!“Auch die Anwälte kennen ihn durch die Bank. Doch der bekannteste Nicht-Jurist des Grauen Hauses bleibt bescheiden. „Ich spreche Richter prinzipiell nicht an, das ist ein ungeschriebenes Gesetz.“Dazu habe er zu großen Respekt. Dabei kann ihm in puncto Anwesenheit niemand aus der „Belegschaft“das Wasser reichen. Es werden rund 4000 Verhandlungen gewesen sein, denen Herr Hoffmann im Publikumsbereich beigewohnt hat. Wahrscheinlich sogar mehr. – „Mahlzeit, Frau Magistra.“
Erstkontakt mit dem Landesgericht hatte er bereits als HAK-Schüler. Das war 1947. „Ich hab Schule gestangelt und bin ins Gericht.“Er schaute sich den Hochverratsprozess gegen den Burgschauspieler Otto Hartmann an, einen GestapoSpitzel. Dieser wurde wegen „Denunziation mit Todesfolge“zu lebenslanger Haft verurteilt. „Da habe ich dann während der Verhandlung mein Gabelfrühstück ausgepackt und bin vom Vorsitzenden ordentlich zurechtgewiesen worden“, sagt Hoffmann lachend 71 Jahre später. Apropos Jahre: „Zehn noch, dann bin ich 100.“Mit wachen Augen und noch wacheren Ohren bewegt sich der 90-Jährige mit traumwandlerischer Sicherheit durch das riesige Gebäude. In der Innentasche seines Sakkos steckt der Wegweiser: die handgeschriebene Liste mit all den kommenden Prozessen. Uhrzeit, Verhandlungssaal, Vorsitzender, angeklagte Paragrafen. Ob es sich um „etwas Großes“handelt, sei eine Mischung aus Intuition, Erfahrung und Information.
Beste Kontakte pflegt Hoffmann zu den gestandenen Gerichtsreportern. Die binden ihn gern in ihre Arbeitsprozesse ein. Er wiederum versorgt die Schreiber noch spätabends mit „Live-Meldungen“aus dem Verhandlungssaal. Und Urteile werden mitunter nach 23 Uhr gefällt.
Heinz Hoffmann liebt die Struktur, das Aufstehenmüssen in der Früh, das Pünktlichseinmüssen. „Es ist ein Job ohne Bezahlung.“Aber dafür war er ohnehin längst bekannt. In den 1980ern hat er nebenbei für die Vienna den Finanzvorstand gemacht, bis 2006 sogar noch für die Admira. Fußball ist seine zweite Leidenschaft. Noch heute hat er eine Saisonkarte für seinen Lieblingsclub, die Wiener Austria. Gespielt hat er selbst auch. Unterklassig, bei Altstern. Beim 25jährigen Jubiläum 1956 gab es gegen den Sportclub mit Primgeiger Erich Hof ein ehrenvolles 0:8.
Mit seiner Frau habe er die Welt bereist, sagt Hoffmann. Lange haben beide auf der Hohen Warte das Racket geschwungen. Heute habe immer noch jeder seine Hobbys. Seines sei eben das Landesgericht. – „Verehrung, Herr Doktor, alles Schöne.“– Den Buwog-Prozess samt Karl-Heinz Grasser lässt Herr Hoffmann übrigens links liegen. Da gebe es Plätze weiter vorn nur für die Presse. Das verstehe er. Auf seiner Liste stehen ohnehin andere, vielversprechende Termine.