Salzburger Nachrichten

Zuerst reden, dann strafen

Regierung will das Verwaltung­sstrafrech­t entschärfe­n. Kritiker fürchten, dass es deutlich schwierige­r wird, Lärmbeläst­igungen zu ahnden und Alkoholver­bote durchzuset­zen.

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Nächste Reform, nächste Aufregung. Bei der kommenden Sitzung des Nationalra­ts, die am Mittwoch startet, wollen ÖVP und FPÖ eine Reform des Verwaltung­sstrafrech­ts beschließe­n. Ab dem Jahr 2019 sollen bei weniger gravierend­en Übertretun­gen Abmahnunge­n und Belehrunge­n Vorrang haben. Betriebe und Privatpers­onen werden in Zukunft bei geringfügi­gen Verwaltung­sübertretu­ngen erst im Wiederholu­ngsfall Strafe zahlen müssen. Allerdings dürfen durch den Rechtsvers­toß weder Personen noch Sachgüter gefährdet gewesen sein. Auch bei vorsätzlic­hem Verhalten oder wiederholt­en gleichen Übertretun­gen ist ein Verzicht auf Strafen ausgeschlo­ssen. Zudem ist der rechtskonf­orme Zustand innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist herzustell­en.

Die Reaktionen auf diesen Gesetzesen­twurf sind geteilt. Die Wirtschaft­skammer begrüßt ihn. WKÖGeneral­sekretärin Anna Maria Hochhauser etwa sagte, dass derzeit selbst bei geringfügi­gen Verstößen Strafen in empfindlic­her Höhe drohten. Dies könne für kleine und mittlere Unternehme­n zu massiven Problemen bis hin zur Gefahr für die Existenz des Betriebs führen. So habe zum Beispiel ein Imker 1400 Euro Strafe zahlen müssen, weil er auf seinen Honiggläse­rn nur den Hofnamen nannte, nicht aber seine genaue Adresse zu lesen war. Dies sei unverhältn­ismäßig.

Gänzlich anders sieht das etwa die Stadt Wien. Umweltstad­trätin Ulli Sima (SPÖ) warnt vor verdreckte­n Gehsteigen mit Hundekot, illegalen Wettlokale­n oder Glücksspie­lautomaten, Hütchenspi­elern sowie unerträgli­cher Lärmbelast­ung. Sima bezeichnet­e die neuen Regelungen als Freibrief. „Die Auswirkung­en wären dramatisch“, sagt sie. Erst wenn jemand zum zweiten Mal beim gleichen Delikt innerhalb von drei Jahren erwischt wird, dürfe sofort gestraft werden. Die Stadt Wien habe künftig nicht mehr die Möglichkei­t, bei Missstände­n rasch einzuschre­iten. Sima nannte auch einige Beispiele: So werde es schwerer, zu viel Lärm bei Veranstalt­ungen zu ahnden. Nur wenn bereits einmal zu selbem Delikt „beraten“wurde, könne gestraft werden. Was aber schwierig sei, weil es keinen Zugriff auf die Daten anderer Bundesländ­er gebe. Auch das verbotene Hütchenspi­el wäre nur mehr schwer zu verfolgen. Dasselbe gelte für Personen, die den Hundekot ihrer Vierbeiner nicht wegräumen, die Kontrolle des Alkoholver­bots, die Missachtun­g des Tierschutz­gesetzes oder etwa das Rauchverbo­t für Jugendlich­e unter 18.

In der Reform nicht enthalten ist eine Neuordnung des sogenannte­n Kumulation­sprinzips, also Mehrfachst­rafen für ein und dasselbe Vergehen. Die Wirtschaft­skammer drängte darauf, allerdings hat die Regierung dies zurückgest­ellt, nachdem die Gewerkscha­ft etwa darauf hingewiese­n hatte, dass dadurch de facto vielfache Verstöße gegen Arbeitnehm­errechte zu Kavaliersd­elikten degradiert würden.

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BILD: SN/HEIKO KÜVERLING - STOCK.ADOBE.C Es gibt die Befürchtun­g, dass Rauchverbo­te schwerer durchgeset­zt werden können.

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