Was der CDU/CSU-Kompromiss bedeutet
Erst müssen die Transitzentren eingerichtet werden, dann braucht es ein Abkommen mit Österreich.
Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist quasi die Quadratur des Kreises gelungen: eine Einigung im „Geist der Partnerschaft in der Europäischen Union“und ein entscheidender Schritt, „um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern“. Doch der Unionskompromiss über den Umgang mit bestimmten Asylbewerbern steht noch auf tönernen Füßen.
An der deutsch-österreichischen Grenze sollen Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise gehindert werden. Sie sollen in Transitzentren kommen, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. „Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen“, heißt es in der Einigung. Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll „die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“stattfinden. Von Jahresbeginn bis Mitte Juni wurden in Deutschland knapp 18.400 Asylsuchende aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei EURODAC erfasst waren – also woanders schon registriert wurden. Es geht also gar nicht um besonders viele Fälle, aber der CSU ging es um ein Zeichen, dass der Staat nach den Turbulenzen 2015 zeigt, dass er an den Grenzen stärker durchgreift. CSU-Chef Horst Seehofer wollte eine Zurückweisung direkt an der Grenze zu Österreich, auch wenn die Länder, wo der Asylbewerber bereits mit Fingerabdrü- cken registriert ist, diesen nicht zurücknehmen. Merkel wollte keinen nationalen Alleingang und Lösungen mit den europäischen Partnern. Geeinigt hat man sich auf eine Zurückweisung, die mit den europäischen Partnern abgestimmt ist. Die Sorge ist, dass sonst alle nach und nach die Grenzen dicht machen – die EU-Freizügigkeit wäre zu Ende.
Nein. Erstens geht es nur um die deutsch-österreichische Grenze und dort wird nur an drei Stellen kontrolliert.
Dann gibt es noch die Schleierfahndung im Hinterland. Es ist aber schwer vorstellbar, dass Menschen, die schon Kilometer von der Grenze entfernt auf deutscher Seite aufgegriffen werden, in Transitzentren kommen können – sie haben ja längst deutschen Boden betreten. Viele Migranten, die nach Deutschland kommen, sind zudem zuvor gar nicht in anderen EU-Ländern registriert worden. Es geht nur um Migranten, die an der bayerisch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden. Österreich soll all jene Migranten aufnehmen, die nicht in ihre Erstaufnahmeländer zurückgeschickt werden. Dazu soll es aber laut CDU/CSUKompromiss ein Abkommen mit Österreich geben. Das muss erst ausverhandelt werden – und zwar zwischen den Innenministern Horst Seehofer (CSU) und Herbert Kickl (FPÖ). Gibt es kein Abkommen, weist Deutschland auch nicht zurück, so zumindest steht es in der Einigung.
1. Was besagt der Kompromiss? 2. Um wie viele Fälle geht es überhaupt? 3. Wer hat nun gewonnen? 4. Ist das Problem nun gelöst? 5. Welche Rolle spielt Österreich?
Die Formulierungen sind interessant. „Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind“, sollen an der Einreise gehindert werden, heißt es in dem Unionspapier. Das scheint aber weniger weitreichend, als See- hofer es stets gefordert hatte: Der CSU-Innenminister wollte all jene zurückschicken, die in anderen EUStaaten schon mit Fingerabdrücken registriert sind. Eine reine Registrierung bedeutet aber nicht automatisch, dass dieses Land für das Asylverfahren auch zuständig ist.
6. Wo steckt noch Zündstoff? 7. Hat sich der ganze Ärger für die CSU gelohnt?
Das wird erst die bayerische Landtagswahl am 14. Oktober zeigen. Seehofer hat wohl weniger herausgeholt, als er ursprünglich plante. Andererseits wäre es ohne den Druck aus Bayern kaum zu der beim EU-Gipfel vereinbarten Verschärfung der EU-Asylpolitik mit einem Maßnahmenpaket gegen die hohe Zahl an Mittelmeerflüchtlingen gekommen. Das Gleiche gilt für die von Merkel geplanten bilateralen Abkommen mit anderen EU-Staaten zur Rücknahme von Migranten, von denen es aber erst zwei gibt: mit Spanien und Griechenland.