Grenzen bleiben die Sorge von Kanzler Kurz
Der erste Auftritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz im EU-Parlament verläuft routiniert. Er bleibt bei seiner Linie, ebenso wie seine Kritiker.
STRASSBURG. Es muss für Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sonst für volle Häuser sorgt, befremdlich gewesen sein: Der riesige Plenarsaal des Europaparlaments war – wie oft bei solchen Anlässen – nur zu einem Fünftel gefüllt, als Kurz am Dienstag die Schwerpunkte der EURatspräsidentschaft erläuterte. Österreich übernehme den Vorsitz in herausfordernden Zeiten des Umbruchs und zunehmender Spannungen sowohl in der EU als auch außerhalb, führte er routiniert aus.
„Für mich als junger Mensch mit 31 Jahren ist die EU so etwas, wie eine Selbstverständlichkeit“, betonte er gleich zu Beginn in einer der wenigen persönlicheren Passagen seiner Rede. Als Außenminister sei ihm aber bewusst geworden, dass in Demokratie, Sicherheit Rechtstaatlichkeit zu leben keine Selbstverständlichkeit sei. „Europa ist unsere Zukunft. Es gibt in Wahrheit in dieser Union viel mehr, das uns eint, als uns je trennen könnte“, so Kurz. Um dann auf die bedrohte Wettbewerbsfähigkeit Europas, den Westbalkan, Russland und vor allem das Thema zu kommen, für das er nun in der EU steht: die Verstärkung des Außengrenzschutzes und den „Paradigmenwechsel“in der Migrationspolitik, der beim EU-Gipfel beschlossen wurde.
Lob für Kurz’ Linie kam wenig überraschend von den Konservativen und Nationalisten, während Vertreter der Linkspartei GUE Tafeln aufstellten, auf denen Slogans wie „Refugees Welcome“und „No Fortress Europe“standen. „Du bist ein junger Regierungschef mit notwendigen Ideen“, sagte der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) Manfred Weber. „Auf deine EVP kannst du dich verlassen“, sagte er. Der Chef der Sozialdemokraten, der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann, warnte indes vor dem „Abbruch des europäischen Projekts durch neue Grenzkontrollen“. Kurz konterte: Nicht Österreich, sondern Deutsch- land habe nationale Maßnahmen ergriffen. Er verspreche, Österreich werde alles in seiner Macht Stehende tun, damit es wieder das Europa ohne Grenzen gebe, in dem er aufgewachsen sei. „Ich kann nicht vorhersagen, wie schnell das gehen und ob es vorher nationale Maßnahmen geben wird“, betonte Kurz. Mittel- bis langfristig werde es so aber keine Grenzen nach innen, dafür aber nach außen geben.
ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas forderte seinen Parteichef auf, „jedem Alleingang, jeder nationalistischen, populistischen, egoistischen Antwort auf unsere gemeinsamen europäischen und globalen Herausforderungen eine Absage“zu erteilen: „Geben Sie der Idee Europas im Rat ihre Seele zurück.“Der SPÖ-EU-Mandatar Josef Weidenholzer vermisste Sozialthemen. „Viele Menschen fühlen sich im Stich gelassen. Aber wir dürfen sie nicht aus politischem Kalkül verunsichern. Nur ein soziales Europa ist ein Europa, das schützt.“