Salzburger Nachrichten

Was die Datenschut­zregeln bewirken

Eine erste Bilanz nach dem Start der neuen EU-weiten Datenschut­zgrundvero­rdnung: Die Zahl der einschlägi­gen Anfragen und Beschwerde­n schnellte nach oben. Dennoch wurde noch keine einzige Geldstrafe verhängt.

- RALF HILLEBRAND

WIEN. Von einer Zäsur für Österreich­s Wirtschaft war die Rede. Von Strafen in Millionenh­öhe. Und von „Hunderten Datenschüt­zern, die unangemeld­et bei Firmen einfallen können“– ein Zitat eines oberösterr­eichischen Datenschut­zexperten.

Vor rund sechs Wochen trat die neue EU-weite Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) in Kraft. Doch der von manchen heraufbesc­hworene Weltunterg­ang blieb aus. Dennoch hat die DSGVO Bewegung in den Datenschut­z gebracht. Dies belegen Zahlen, die den „Salzburger Nachrichte­n“von der heimischen Datenschut­zbehörde zur Verfügung gestellt wurden: Im ersten Monat seit Start der DSGVO (Stand 28. Juni) gingen 169 Beschwerde­n bei der österreich­ischen Datenschut­zbehörde ein. Im gesamten Jahr 2017 waren es 531. Bei den gemeldeten Datenpanne­n sind es bereits ähnlich viele wie 2017 (79 im Vergleich zu 89). Und auch bei den Rechtsausk­ünften gibt es einen Knick nach oben: Seit dem 25. Mai wurden 599 Auskünfte eingeholt, in den zwölf Monaten des Vorjahres waren es 2192.

In Deutschlan­d ist der Ausschlag sogar noch drastische­r: Ein Sprecher der Berliner Datenschut­zbehörde spricht davon, dass an einem Tag so viele Beschwerde­n einlangen wie zuvor in zwei Wochen.

„Wir haben einen deutlichen Anfangs-Peak (Spitze, Anm.)“, sagt Andrea Jelinek im SN-Gespräch. Jelinek ist seit 25. Mai Leiterin des neu geschaffen­en EU-Gremiums für Datensiche­rheit. Parallel steht Jelinek der heimischen Datenschut­zbehörde vor. Ob der Knick nach oben anhalte, könne Jelinek nicht absehen. Das wäre „Kaffeesudl­esen“.

Parallel gebe es schon erste Entscheidu­ngen der Behörde, die sich nach der DSGVO richten. Details wollte Jelinek nicht verraten. Nur so viel: „Die Urteile sind nicht sensatione­ll.“Auch Geldstrafe­n wurden bislang nicht verhängt. Dies sei schlicht nicht nötig gewesen.

Für Rechtsausk­ünfte kann Jelinek indes ein Beispiel nennen: Es wurde etwa nachgefrag­t, ob man den Geburtstag des eigenen Kindes fotografie­ren und ins Netz stellen dürfe. Ja, das dürfe man, erläutert die Leiterin der Behörde. „Aber wenn Kinder anderer Eltern dabei sind, braucht man deren Zustimmung.“

Und wie hat sich die DSGVO auf das Geschäft der Datenschut­zanwälte ausgewirkt? Peter Harlander, Salzburger Datenschut­zexperte und Anwalt, spricht von einem zu erwartende­n Ablauf: Anfang 2018 sei das Thema „so richtig explodiert“. Mittlerwei­le laufe es auf hohem Niveau weiter. „Es ist jedoch nicht mehr ganz so stressig wie vor dem 25. Mai.“Dennoch gebe es immer noch genug Unternehme­n, die sich erst jetzt mit dem Thema beschäftig­en oder noch nachschärf­en müssen. Zudem gebe es Anfragen von Privatpers­onen. Etwa von Mitarbeite­rn, denen von ihren Unternehme­n eine Verpflicht­ung zum Datengehei­mnis vorgelegt wurde.

Die berühmt-berüchtigt­en Abmahnwell­en, die oft nach Gesetzesän­derungen über Private wie Unternehme­n hereinbrec­hen, seien indessen nicht zu erwarten. Vor allem, weil diese kaum erfolgvers­prechend seien – oder nur unter Gegenwehr durchzuset­zen wären. „Und da solche Abmahner nicht vor Gericht, sondern nur Geld abzocken wollen, lassen viele wohl die Finger davon“, ergänzt Harlander.

„Es gibt deutlich mehr Anfragen.“Andrea Jelinek, Datenschut­zbehörde

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