Kickl und Medien, Staatsgewalt und Amtsgeheimnis
Nahezu zeitgleich zeigen führende Vertreter der zweiten und dritten Staatsgewalt ihr konträres Verständnis über die Aufgaben der nicht legitimierten, aber realen vierten Gewalt: Innenminister Herbert Kickl beklagt „gewisse Medien“, die sich „jeden Tag darum bemühen, irgendwelche Dinge, die (…) nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, in die Öffentlichkeit zu bringen“. Der Verwaltungsgerichtshof sagt, Behörden seien grundsätzlich verpflichtet, Einblick in Dokumente zu gewähren – vor allem dann, wenn „Anfragen als relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische Aktivitäten zu sehen sind“. Parallel zu diesen widersprüchlichen Aussagen über die Kontrollfunktion von Medien leidet die vermeintlich erste Staatsgewalt, das Parlament, unter der Degradierung durch die Regierung. Je autoritärer die Exekutive agiert, desto ohnmächtiger wirken Legislative, Judikative und Journalismus.
Vom Nationalrat ist nicht zu erwarten, dass er sich ausgerechnet jetzt aus der jahrzehntelangen, schleichenden Entmündigung als Gesetzgeber befreit. Um die Staatsgewalten halbwegs in Balance zu halten, ist mehr denn je der „public watchdog“, der „öffentliche Wachhund“, gefragt – wie in den USA die Rolle des Journalismus umschrieben wird. Dazu braucht er mehr denn je die Unterstützung der Gerichtsbarkeit. Sie darf einerseits keine Signale für ein Aufleben der früheren Einschüchterungsstrategie der FPÖ – Kritiker grundsätzlich zu klagen – geben. Sie muss andererseits mehr Transparenz und Kontrolle ermöglichen. Die eingangs zitierten Aussagen des Verwaltungsgerichts sollten der Anfang vom raschen Ende des Amtsgeheimnisses sein.