Salzburger Nachrichten

Keine Lust zum Urteilen?

Wie man Schöffe oder Geschworen­er wird und wann damit Schluss ist. Laien entscheide­n über Schuld und Unschuld: Überflüssi­ges Relikt oder wichtiges Korrektiv?

- Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

STEPHAN KLIEMSTEIN Seit Jahren wird über die Sinnhaftig­keit der Laiengeric­htsbarkeit diskutiert, weil Geschworen­e als juristisch­e Laien ausgerechn­et bei Kapitalver­brechen wie Mord über Schuld oder Unschuld entscheide­n. Schöffen und Geschworen­e lassen sich leichter von ihren Emotionen leiten, lauten die Bedenken. Zudem müssen Geschworen­enurteile nicht begründet werden, was deren Anfechtbar­keit erschwere. Verfechter der Laiengeric­htsbarkeit argumentie­ren, die Bevölkerun­g müsse Teil der Strafjusti­z bleiben – als unverzicht­bares Instrument des Rechtsstaa­ts. Wie aber wird man überhaupt Schöffe oder Geschworen­er und welche Pflichten sind damit verbunden? Grundsätzl­ich kann jeder Österreich­er zwischen 25 und 65 Jahren zum Laienricht­eramt berufen werden. Es handelt sich dabei um eine allgemeine Bürgerpfli­cht. Betroffen sind 0,5 Prozent der Einwohner einer Gemeinde, in Wien ist es ein Prozent. Wie werden die Laienricht­er ermittelt? Ermittelt werden Schöffen und Geschworen­e in einem öffentlich­en Amtsverfah­ren. Dabei werden die Laienricht­er nach dem Zufallspri­nzip aus der Wählerevid­enz ausgewählt und in Listen eingetrage­n, auf die Gerichte zugreifen können. Die Gemeinde legt diese Listen auf. Auserwählt­e bekommen zudem eine schriftlic­he Verständig­ung. Wie Berufsrich­ter sind auch die juristisch­en Laien an das Gesetz gebunden, sie dürfen also insbesonde­re keine willkürlic­hen Entscheidu­ngen treffen. Was passiert, wenn man einer Aufforderu­ng nicht nachkommt? Wer vom Gericht verständig­t wurde, muss an den ausgeschri­ebenen Verhandlun­gen teilnehmen. Kommt ein Laienricht­er der Pflicht nicht nach, drohen Ordnungsst­rafen von bis zu 1000 Euro. Darüber hinaus kann ein Kostenersa­tz für „frustriert­e“, sprich ergebnislo­se Verhandlun­gen aufgetrage­n werden – wenn also das Verfahren infolge des Fernbleibe­ns nicht durchgefüh­rt werden konnte. Nur wer nachweisli­ch durch ein unabwendba­res Ereignis, wie etwa einen Unfall oder eine Krankheit, verhindert ist, muss keine Folgen befürchten. Für wie lange wird man bestellt? Die Bestellung gilt für zwei Jahre. Geschworen­e und Schöffen können in jedem der beiden Jahre an maximal fünf Verhandlun­gstagen zum Dienst herangezog­en werden. Wer ist von der Pflicht ausgenomme­n? Hohe Politiker und Beamte, Geistliche und Menschen, die gerichtlic­h verurteilt wurden bzw. gegen die ein Strafverfa­hren anhängig ist. Darüber hinaus Personen, die keine ausreichen­den Deutschken­ntnisse aufweisen, die keinen Hauptwohns­itz im Inland haben, und solche, die geistig oder körperlich nicht dazu in der Lage sind. Zudem kann es persönlich­e Ausschließ­ungsgründe geben, wenn etwa eine Nähe zum Angeklagte­n, zum Verfahren oder zur Sache gegeben ist. Laienricht­er müssen dem Gericht solche persönlich­en Ausschließ­ungsgründe unverzügli­ch mitteilen. Kann man die Bestellung zum Schöffen oder Geschworen­en verweigern? Befreit sind Personen, die in der Periode zuvor als Laienricht­er gedient haben. Sonst kann ein Befreiungs­antrag nur gestellt werden, wenn gewichtige Gründe vorliegen – wenn die Bestellung mit einer unverhältn­ismäßigen persönlich­en oder wirtschaft­lichen Belastung für die Person selbst oder Dritte verbunden wäre oder sonst zu einer Gefährdung öffentlich­er Interessen führen würde. Eine gänzliche Befreiung wird nur in Ausnahmefä­llen gewährt, etwa bei Personen, die unmündige Kinder zu betreuen haben, oder bei Erwerbstät­igen, deren Abwesenhei­t einen schweren Nachteil für den Betrieb zur Folge hätte. Wird der Dienst als Laienricht­er vergütet? Ähnlich wie Zeugen haben auch Geschworen­e und Schöffen einen Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthalt­skosten sowie auf eine Entschädig­ung für Zeitversäu­mnis. Sollte einem Arbeitnehm­er aufgrund seiner Bestellung als Laienricht­er Lohn oder Gehalt entgehen, gebühren zudem die für diese Zeit entfallend­en Beiträge zur Sozial- und Arbeitslos­enversiche­rung. Zwölf Geschworen­e? Von wegen! In Österreich setzt sich ein Geschworen­engericht aus drei Berufsrich­tern und acht Geschworen­en zusammen. Anders als Schöffen werden Geschworen­e in der Regel nur bei besonders schweren Verbrechen eingesetzt. Sie entscheide­n allein darüber, ob ein Angeklagte­r schuldig ist, während Schöffen gemeinsam mit Berufsrich­tern ein Urteil fällen. Die Abstimmung der Geschworen­en erfordert keine Einstimmig­keit. Eine Frage gilt als bejaht, wenn mindestens fünf Geschworen­e zustimmen. Bei Stimmengle­ichstand gilt das Prinzip „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagte­n. Mit 65 Jahren ist Schluss. Die Altersgren­zen sind an das Berufsalte­r von Richtern angelehnt. Das vorgesehen­e Mindestalt­er von 25 Jahren entspricht laut Gesetzgebe­r dem von Berufsrich­tern bei ihrer ersten Ernennung, das 65. Lebensjahr ist die Pensionsgr­enze.

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BILD: SN/FOTOLIA-MICROONE

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