DER KORAN ÜBER „DIE LEUTE DES BUCHES“
Christen und Juden genießen im Koran als „die Leute des Buches“eine hohe Wertschätzung. Diese hat sich später in den Ländern unter islamischer Herrschaft positiv auf ihren religiösen und rechtlichen Status ausgewirkt. Karl-Josef Kuschel, der bis 2013 Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs in Tübingen gelehrt hat, sagt dazu: Als „Schutzbefohlene“hätten Juden und Christen in der Tat anders als „Ungläubige“in einer islamischen Mehrheitsgesellschaft unter staatlichem Schutz zumindest Duldung ihrer Religionsausübung genießen können, was freilich mit einem heutigen, modernen Verständnis von Religionsfreiheit nicht zu verwechseln sei.
Besondere Bedeutung für das Verhältnis des Islam zu Judentum und Christentum hat die Sure 5. Dort heißt es ausdrücklich: „Wir haben die Tora herabgesandt – in ihr sind Führung und Licht.“Um die Tora zu bestätigen, sei den Propheten Jesus, der Sohn Marias, gefolgt: „Wir gaben ihm das Evangelium – in ihm ist Führung und Licht.“Als dritte Stufe in dieser Offenbarungsreihe heißt es dann über den Koran: „Wir haben die Schrift mit der Wahrheit hinabgesandt, um zu bestätigen, was schon vor ihr von der Schrift vorlag, und darüber Gewissheit zu geben.“ Der Koran bestätige damit, so Karl-Josef Kuschel, dass Juden und Christen einer von Gott kommenden Botschaft folgten, die ihnen Führung und Licht gebe. „Das ist nicht wenig“, so Kuschel, „hat doch der Koran damit anerkannt, dass Juden und Christen durch die Tora und das Evangelium auf einem von Gott bestimmten Weg und von Gottes Licht im Dunkel des Lebens geleitet werden. Und diese Bücher sind auch für Muslime Offenbarungsschriften.“
Andererseits lässt der Koran an der jüdischen und christlichen Überlieferung nur gelten, was er ausdrücklich bestätigt. Denn die Begriffe „Tora“und „Evangelium“seien im Koran nicht identisch mit den gleich lautenden Büchern der Juden und Christen. Zwar würden Jesus als Gesandter und Maria als Erwählte Gottes im Koran höchsten Respekt genießen. Damit sei aber keineswegs die christliche Botschaft als ganze anerkannt. Die heiligen Schriften der Juden und Christen behielten für diese ihre Bedeutung. „Aber letztlich sind sie durch Mohammed und den Koran überholt.“