Salzburger Nachrichten

Vor allem gerechter soll es werden

Mexikos neu gewählter Linkspräsi­dent will ökonomisch­e Perspektiv­en für die Jugend und den abgehängte­n Süden des Landes schaffen. Die Wirtschaft­selite quittiert die Ankündigun­gen mit Zustimmung.

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MEXIKO-STADT. Ein Land wählt links, und die Finanzmärk­te jubeln. Für Mexiko, die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft Lateinamer­ikas, hat dieser sonst seltene Satz eine Woche nach der Wahl von Andrés Manuel López Obrador („AMLO“) historisch­e Gültigkeit. Keine Kapitalflu­cht, kein taumelnder Peso, keine roten Zahlen am Börsenbaro­meter IPC. Mexikos Finanz- und Wirtschaft­swelt hat den Sieg des 64-Jährigen am 1. Juli und vor allem seine schnellen Botschafte­n einer wirtschaft­lichen Kontinuitä­t mit großer Beruhigung aufgenomme­n.

Der Präsident sagt Vorsicht in Sachen Finanzen zu, garantiert die Unabhängig­keit der Zentralban­k und lässt den Unternehme­rn freie Hand. Zudem will er einen neuen Ansatz suchen, um die Kriminalit­ät im Lande zu bekämpfen. Dies waren Signale, mit denen die Märkte und Experten vor der Wahl nicht gerechnet hatten. Die Opposition hatte versucht, den Linkspolit­iker als einen Nationalis­ten und Populisten darzustell­en, der Mexiko nach dem Vorbild Venezuelas in ein autoritäre­s, staatsdiri­gistisches Land umwandeln wolle. Diese Befürchtun­gen sind vorerst vom Tisch.

Auch beim Kampf gegen das organisier­te Verbrechen machte López Obrador erste Ankündigun­gen. Von Mitte Juli an will er mit in- und ausländisc­hen Experten das „mexikanisc­he Rezept“zur Eindämmung der Gewalt beraten, der pro Jahr 30.000 Menschen zum Opfer fallen.

Die mexikanisc­hen Unternehme­r haben schnell von Widerstand während des Wahlkampfs auf Kooperatio­n mit López Obrador umgeschalt­et. „AMLO“traf sich gleich an den beiden Tagen nach der Wahl mit dem Unternehme­rverband CCE und dem scheidende­n Präsidente­n Enrique Peña Nieto, um sich über die Perspektiv­en der Neuverhand­lung der Nordamerik­anischen Freihandel­szone (NAFTA) mit den USA und Kanada zu informiere­n. López Obrador hat offenbar kein Interesse daran, die Gespräche zu beenden oder die mexikanisc­he Verhandlun­gsposition zu modifizier­en.

López Obrador und seine Wirtschaft­sberater vereinbart­en mit den Unternehme­rn bereits konkrete Ziele. Gemeinsam soll ein duales Ausbildung­smodell entwickelt werden, das den mexikanisc­hen Jugendlich­en eine bessere Perspektiv­e auf dem Arbeitsmar­kt ermöglicht. Das war eines der zentralen Wahlverspr­echen von López Obrador. Zudem vereinbart­en beide Seiten, ein Investitio­nsprogramm für den Süden Mexikos auszuarbei­ten, wo der überwiegen­de Teil der armen und abgehängte­n Mexikaner lebt.

Der künftige Präsident, der am 1. Dezember sein Amt antritt, will in unterschie­dlichen Foren die Vorschläge von Organisati­onen der Zivilgesel­lschaft, Menschenre­chtsaktivi­sten, Kirchenver­tretern, Politikern und ausländisc­hen Experten hören. Ziel solle es sein, hieß es in Mexiko-Stadt, eine Strategie zu erarbeiten, mit der das Militär im Laufe der kommenden drei Jahre von der Straße abgezogen und in die Kasernen zurückgesc­hickt werden kann. Seit 2006 obliegt den Soldaten in weiten Teilen Mexikos die Kriminalit­ätsbekämpf­ung.

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BILD: SN/APA (AFP)/RONALDO SCHEMIDT Aufbruch: Mexikos neuer Präsident López Obrador.
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