Eine zweifelhafte Fanmeile
Die Ottakringer Straße in Wien war nach dem Halbfinal-Einzug der Kroaten bei der Fußball-Weltmeisterschaft Schauplatz heftiger Tumulte. Die haben mittlerweile Tradition.
WIEN. Zwei Frauen mit schweren Augen- und Ohrenverletzungen, 78 Anzeigen, drei Festnahmen und beträchtlicher Sachschaden. Dazu Verbrennungen durch pyrotechnische Fackeln, faschistische und neonazistische Parolen, Schlägereien, Flaschenwürfe. Die Ottakringer Straße in Wien wurde am Samstagabend wieder einmal ihrem Ruf als Österreichs zweifelhafteste Fanmeile gerecht. Kroatien war um etwa 22.45 Uhr Ortszeit im Elfmeterschießen gegen Russland siegreich und zog somit ins Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft ein.
„So ein Abend fließt natürlich ins nächste Einsatzkonzept ein“, betonte Polizeisprecher Patrick Maierhofer am Sonntag. Denn die Kroaten haben mindestens noch ein Spiel zu absolvieren. Und es ist zu befürchten, dass es – egal, wie es ausgeht – abermals zu Tumulten kommen wird. Das Problem dabei: Die Ottakringer Straße ist ein öffentlicher Ort. Maierhofer: „Man kann niemandem verbieten, dass er sich dort aufhält.“Nachsatz: „Es wird sicher spannend.“
Nachdem der letzte Elfer „versenkt“worden war, brachen an der berühmt-berüchtigten Trennlinie zwischen den Bezirken Hernals und Ottakring sämtliche Dämme. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits während der aktuellen Weltmeisterschaft war es beim Spiel Serbien gegen Schweiz (1:2) zu kleineren Tumulten gekommen.
Die provokanten Jubelposen der albanischstämmigen Spieler im eidgenössischen Dress hatten zur Folge, dass der Frust der serbischen Fans deutlicher als sonst zutage trat. Die Bilanz: Straßensperre, Festnahmen, Pyrotechnik und Sachbeschädigungen. Die Ottakringer Straße, tagsüber eine harmlose, entspannte Verkehrsader, ist seit jeher Brennpunkt ethnischer Auseinandersetzungen – vorzugsweise bei Fußball-Großereignissen. Die Cafés und Clubs Richtung stadteinwärts sind kroatisch dominiert, die Lokalitäten weiter außerhalb serbisch. Auch eine kleine albanische Community betreibt ein paar Geschäfte.
Hinzu kommt, dass der Brunnenmarkt – eine traditionell türkische Hochburg – unmittelbar an die Ottakringer Straße grenzt. Dies mündete vor ziemlich exakt zehn Jahren fast in eine Katastrophe: Ebenfalls spät abends siegten die Türken bei der EURO 2008 im Elfmeterschießen gegen Kroatien. Polizeikräfte verhinderten das direkte Aufeinanderprallen der einander provozierenden Anhänger. Die kroatischen Lokalbesitzer saßen allerdings seelenruhig und unbeteiligt in den Schanigärten. Es waren Dutzende Hooligans des kroatischen Serienmeisters Dinamo Zagreb, die extra für Randale aus Kroatien angereist waren. Sie lieferten sich mit der Spezialeinheit Wega eine veritable Straßenschlacht.
Im Oktober 2014 wurde in Belgrad ein EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien wegen Ausschreitungen abgebrochen. Mittels Drohne war eine albanische Flagge ins Stadion geschwebt und hatte die Gemüter erhitzt. Die „dritte Halbzeit“wurde auch auf der Ottakringer Straße ausgetragen. Rund 50 Albaner warfen Flaschen gegen ein serbisches Kaffeehaus. Kurz darauf versuchten 200 Serben Rache zu nehmen. Selbst Polizeisperren konnten die Randalierer kaum aufhalten. Resultat: 14 beschädigte Pkw, 30 Anzeigen.