„Das Einfache ist das Schöne“
Ob Kopftuchverbot oder die neue Arbeitszeitregelung: Beatrix Mayrhofer nimmt Stellung. Warum die Ordensfrau ihre Meinung nicht nur hinter Klostermauern kundtut.
Wäre es nach Beatrix Mayrhofer gegangen, hätte in ihrem Leben einiges ganz anders kommen sollen. Als Tochter eines Mesners in Wels wuchs sie in recht bescheidenen Verhältnissen auf. Dass sie am liebsten gleich nach der Hauptschule in einen Missionsorden eintreten und in einem fernen Land mit bedürftigen Menschen arbeiten würde, war schon als kleines Mädchen ihr Wunsch. So sehr haben sie die Berichte von Priestern beeindruckt, die auf Heimatbesuch in Oberösterreich aus ihren Pfarren in China, Südamerika oder Afrika erzählt haben. Doch der Herrgott hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Anstatt auf einen anderen Kontinent hat er sie nach Wien geschickt. In einen Schulorden. „Jetzt denk’ ich mir, meine Güte, die Schlangen im Süden. In einem Land mit wenig Wasser und viel Hitze hätte ich es wohl nicht lange durchgehalten“, sagt die heute 70-Jährige, als man sie in ihrem Kloster im 15. Wiener Gemeindebezirk trifft. Beim Wort „Schlangen“verzieht sie das Gesicht. Diesem Geschöpf Gottes kann sie ausnahmsweise nicht allzu viel Gutes abgewinnen.
Beatrix Mayrhofer ist eine von rund 3300 Ordensfrauen in Österreich – und als Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden deren „Chefin“und gleichzeitig die „Pressesprecherin“. Administration und das Organisieren sind in dieser Funktion vonnöten, aber beides hat sie ohnehin im Blut; in ihrem Brotberuf als Lehrerin war sie bis zu ihrer Pensionierung zwölf Jahre lang Direktorin im Gymnasium jenes Schulzentrums in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus. Dieses führt ihr Orden, die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau.
Unter demselben Dach befindet sich auch das Kloster. In ihrem schwarz-weißen Ordensgewand und dem Schleier über den grauen Locken geht Schwester Beatrix Mayrhofer vom bunten Schultrakt hinauf in den Bereich der Schwestern. Nur ein paar Stufen trennen die beiden Welten voneinander – und Kinder sowie Kloster lassen sich für die Ordensfrau so bestens vereinen. Eigene Kinder hat sie nie vermisst, hatte sie doch Tausende um sich. „Einen Partner als Gegenüber, den hätte ich mir aber schon gelegentlich gewünscht“, sagt sie mit fester Stimme. Für sie als Ordensfrau war das Thema – oder zumindest dessen Umsetzung – jedoch ohnehin tabu.
Im ersten Stock des Hauses angekommen öffnet die Geistliche ein Fenster und lässt den Blick schweifen. Links der Basketballplatz, dahinter die Schule. Geradeaus der Klostergarten mit Pfingstrosen und Kräutern. Er ist schlicht. Das entspricht genau dem Stil und der Lebenseinstellung der 70Jährigen. Dass sie Ordenstracht trägt, bezeichnet sie als Erleichterung. „Ich muss nicht vor dem Kasten sitzen und überlegen, was ich anziehe. Mich schminken oder mir Schmuck kaufen muss ich auch nicht“, sagt sie mit einem verschmitzten Lachen. Das Einfache sei das Schöne und Armut habe viel mit Demut zu tun. „Ich muss nicht jeden Tag schlemmen, während andere auf der Welt hungern.“Auf den Teller kommt, was auch die Schulkinder essen. Arm zu bleiben, das habe sie neben der Ehelosigkeit und dem Gehorsam bei ihrem Gelübde versprochen.
Stellvertretend für die gut 5000 Ordensleute im Land – Frauen und Männer – nimmt Beatrix Mayrhofer dann Stellung, wenn es um Gesellschaft und auch Politik geht. Beispiel Kopftuch: „Muslimische Frauen sollen sich selbst aussuchen, ob sie es tragen oder nicht“, sagte sie im vergangenen Jahr. Und: „Ein Kopftuchverbot für Kinder ist nicht sinnvoll – das ist problematisch im Hinblick auf die menschliche Freiheit.“In Sachen Flüchtlingspolitik ergriff die Geistliche ebenso das Wort wie beim Klimaschutz. Mayrhofer: „Wir dürfen nicht schweigen, wenn es darum geht, die Erde menschenwürdig zu gestalten.“Weil jeder Mensch für die Erhaltung der Schöpfung zuständig sei, leisten auch die Schwestern in Wien ihren Beitrag. Für 18 Frauen gibt es nur ein Auto. Die meisten Wege werden ganz selbstverständlich per Straßenbahn zurückgelegt.
Dieselbe Selbstverständlichkeit legt Mayrhofer an den Tag, wenn es um die Frage nach dem „Nachwuchs“in den Ordensgemeinschaften geht. Die Zahlen sprechen in Österreich eine eindeutige Sprache – nämlich, dass kaum mehr junge Menschen bereit sind, ihr Leben Gott in dieser radikalen Form zu widmen. Daraufhin muss die Ordensfrau herzlich lachen. „70 Prozent der Orden haben den Sprung vom ersten ins zweite Jahrtausend nicht geschafft. Heute wie damals kennen wir den Plan nicht und ich kann nur sagen: ,Lieber Gott, das ist dein Problem.‘“