Es kommt richtig dick
Laut dänischen Wissenschaftern wird der weltweite Anteil fettleibiger Menschen dramatisch ansteigen. In Österreich wird 2045 jeder dritte Bürger zu dick sein. Das hat schwerwiegende Folgen.
Wenn man einer dänischen Prognosestudie glauben schenken darf, wird der weltweite Anteil fettleibiger Menschen in den kommenden 27 Jahren dramatisch ansteigen.
Derzeit sind zirka 14 Prozent der Weltbevölkerung fettleibig. Im Jahr 2045 sollen es schon 22 Prozent sein, ergibt die Studie des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk. Als lediglich übergewichtig gelten Personen schon mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 30. Fettleibig ist schon die nächste Stufe, mit Werten ab einem BMI über 30. Da deutliches Übergewicht starke negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat und etwa Diabetes Typ 2 begünstigt, sollen auch die Kosten des Gesundheitswesens enorm ansteigen, warnen die Studienverfasser.
Jeder achte Weltbürger (das sind zwölf Prozent) soll dann an Diabetes Typ 1 (einer Autoimmunerkrankung) oder an Diabetes Typ 2 leiden. 2017 waren es neun Prozent. Rund 90 Prozent aller Diabetiker leiden an Diabetes Typ 2, auch Altersdiabetes genannt.
Für die „Salzburger Nachrichten“haben die dänischen Forscher erstmals Prognosewerte für den deutschsprachigen Raum gestellt. Demnach wird 2045 jeder dritte Österreicher fettleibig sein. Der Anteil der fettleibigen Österreicher steigt von 22,9 Prozent 2017 auf 33,7 Prozent 2045. Der Anteil der österreichischen Diabetiker steigt von 9,3 auf 11,1 Prozent. Laut Bundesministerium für Gesundheit gibt es in Österreich 600.000 Menschen mit Diabetes, die Tendenz ist stark steigend, die Dunkelziffer hoch. Dazu kommt, dass etwa 20 Prozent der Betroffenen nichts von ihrer Erkrankung wissen und von deren schwerwiegenden Folgekrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputationen, Nieren- und Augenschädigungen, Sexualstörungen und Depressionen.
Die Zahlen für das Nachbarland Deutschland schauen nicht viel besser aus: Dort wird 2045 mehr als jeder dritte Deutsche fettleibig sein. Der Anteil der fettleibigen Deutschen steigt von 25,8 Prozent 2017 auf 36,6 Prozent 2045 an. Der Anteil der deutschen Diabetiker steigt von 10,1 auf zwölf Prozent. Auch für die Schweiz gibt es Zahlen: Demnach wird 2045 knapp jeder dritte Schweizer fettleibig sein. Der Anteil der fettleibigen Schweizer steigt laut Studie von 22,7 Prozent 2017 auf 31,8 Prozent 2045. Der Anteil der Schweizer Diabetiker steigt von 9,1 auf 10,5 Prozent.
Für die USA, die ja in vielen gesellschaftlichen Bereichen Trends anführen, soll die Entwicklung besonders weitgehend sein. Entsprechende Beachtung fand die Studie bereits im USKongress. Während 2017 noch 39 Prozent der US-Bürger fettleibig waren, sollen es 2045 55 Prozent sein, die Diabetes-Typ-2-Rate soll von 14 auf 18 Prozent steigen. Während 2012 in den USA noch 245 Milliarden Dollar für Diabetes ausgegeben wurden, waren es 2017 schon 327 Milliarden Dollar. Dieser Kostenanstiegstrend wird sich laut den Forschern fortsetzen, auch im deutschsprachigen Raum.
Auch in südlichen Entwicklungsund Schwellenländern, wo sich die Menschen früher im Vergleich zu der westlichen Welt mit ihren Wohlstandsproblemen relativ gesund ernährten, wird Fettleibigkeit laut der Studie zu einem immer größeren Problem. So wird sich etwa in China die Rate der Fettleibigen von 9,2 im Jahr 2917 auf 19,3 Prozent im Jahr 1945 verdoppeln.
„Wir brauchen aggressive und koordinierte Einsätze, um diesen gefährlichen Trend zu brechen“, sagt Steffen Nielsen, Direktor von „Cities Changing Diabetes“bei Novo Nordisk. Der Kampf gegen Diabetes müsse zuerst in Großstädten weltweit ansetzen. Es sei dort einfacher, die Menschen schnell zu erreichen, als in ländlichen Gebieten, so Nielsen. Für Übergewichtige dauere es rund zehn bis 15 Jahre, bis sie Diabetes entwickelten. „Selbst wenn wir heute aufhören würden, dicker zu werden, dürfte die Wende erst langsam kommen“, betont Nielsen. „Studien haben auch gezeigt, dass wir uns neben dem biologischen Aspekt verstärkt auf kulturelle und soziale Faktoren im Kampf gegen Diabetes vor allem in Großstädten konzentrieren sollten“, so Nielsen. Risiken seien etwa steigender Zeitdruck und Stress. Je weniger Zeit Menschen neben ihrer Arbeit und dem Transport dorthin und nach Hause haben, desto eher neigen sie dazu, sich ungesund zu ernähren. Auch die Urbanisierung spielt eine Rolle. Menschen, die vom ländlichen Raum beispielsweise in China und dem dortigen ländlichen Essen in die Großstädte ziehen, essen dort oft ungesünder, sagt Nielsen. Gleiches gilt für Einsamkeit. „Einsame Menschen leben häufig ungesünder, und hier vor allem einsame Männer im mittleren Alter, das hat eine andere Studie aus Kopenhagen ergeben“, stellt Nielsen fest. Die Studie vom Pharmakonzern Novo Nordisk, der selbst Diabetes-Medikamente herstellt, sich aber auch an Vorsorgeprojekten beteiligt, wurde in Auszügen erstmals beim Europäischen Adipositas Kongress in Wien im Mai vorgestellt. Eine Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Fachmagazin wird noch angestrebt. Die Daten zum deutschsprachigen Raum werden erstmals in diesem Artikel veröffentlicht. Für ihre Vorhersage haben die Studienverfasser Daten vom weltweiten Gesundheitsdatennetzwerk NCD-Risk analysiert, das eng mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammenarbeitet. Dabei wurde die Schnelligkeit von Entwicklungen in der Vergangenheit als Maßstab für eine Vorhersage für 2045 genutzt. Viele Pharmaunternehmen forschen auch an Methoden zur Heilung von Diabetes. Inzwischen gibt es interessante Ansätze, doch ein zeitnaher Durchbruch ist noch nicht absehbar.
„Wir müssen stärker soziale und kulturelle Faktoren beachten.“