Putin konnte Tschertschessow nicht trösten Die Party ist vorbei, doch die Nationalmannschaft hat in Russland riesige Begeisterung ausgelöst.
Als für Russland kurz vor Mitternacht die WM-Party nach über drei Wochen innerhalb einer Sekunde vorbei war, da verschwand der Mann mit dem markanten Schnauzer in Richtung Kabinengang. Ohne sich umzudrehen und festen Schrittes. Stanislaw Tschertschessow ist ein Platz in der Ruhmeshalle des russischen Fußballs nach dem so bitteren Viertelfinal-Aus im Elfmeterschießen gegen Kroatien dennoch gewiss. Der Nationalcoach der Sbornaja konnte auch von Präsident Wladimir Putin am Telefon nicht getröstet werden. „Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden“, klagte er.
„Wir wollten der Heimat noch bis zum 15. Juli dienen“, sagte Tschertschessow in dem ihm eigenen Sprachduktus. An diesem Tag findet in Moskau das Endspiel der Weltmeisterschaft ohne den Gastgeber statt. Dass die Russen als 70. der FIFA-Weltrangliste und krasser Außenseiter alle Erwartungen übertroffen hatten, machte sie trotz des WM-Ausscheidens stolz. „Unsere Herzen sind gebrochen. Wir haben gekämpft wie die Löwen“, sagte Stürmer Artjom Dsjuba.
„Im Sport gibt es nur einen Pokal. Und wir haben jetzt keine Chance mehr, diesen Pokal zu gewinnen“, sagte der ernüchterte Tschertschessow. „Wir haben das Land auf den Kopf gestellt, das freut uns.“Putin habe ihn vor und nach dem Spiel kurz angerufen, verriet der einstige Innsbruck-Torhüter. „Er hat uns zu einem großartigen Spiel gratuliert. Aber ich habe ihm gesagt, dass wir enttäuscht sind. Er hat mir geantwortet, dass wir die Augen offen halten und unsere nächsten Schritte machen sollen.“Putin hatte das Spiel nicht im Stadion verfolgt, sondern via TV.
Der gebürtige Brasilianer Mário Fernandes hatte in der Verlängerung noch den Ausgleich zum 2:2 (115.) geschafft, im Wettschießen vom Punkt aber die Nerven verloren und den Ball neben das Tor gesetzt. „Ich muss mich für den verschossenen Elfmeter entschuldigen“, sagte der Unglücksrabe. Zuvor hatte Denis Tscheryschew mit seinem vierten Turniertreffer das Team von Tschertschessow in Führung gebracht (31.). Andrej Kramarić (39.) und der Ex-Leverkusener Domagoj Vida (111.) trafen dann für die Kroaten.
„Das ganze Land, ganz Russland, ist verliebt in uns. Sie wissen, was die Nationalmannschaft wert ist“, sagte Tschertschessow, dem nach dem nervenaufreibenden K.-o.Spiel nicht einmal die Krawatte verrutscht war. Er soll Russlands Team nun auch zur EM 2020 führen; der Fußballverband RFS will den Erfolgscoach unbedingt halten. Tschertschessow selbst sagte auf die Frage nach seiner Zukunft: „Wir können nicht vorhersagen, ob ich bleibe oder nicht. Wir müssen alles genau analysieren.“