Ein Kirchturm wird zum Notfall
Aus der Fassade von Hochchor und Turm der Salzburger Franziskanerkirche brechen Steine aus und fallen auf die Gasse. Jetzt ist alles notdürftig gesichert. Doch für angemessene Investition braucht der Bettelorden Helfer.
Die Franziskanerkirche in der Stadt Salzburg hat Oberflächenprobleme. Wegen Rostsprengungen, sich lösender Betonplatten und Rissen im Konglomerat drohen Steine herabzufallen. Für Passanten besteht dank eines Gerüsts keine Gefahr. Trotzdem muss die Fassade saniert werden. Aber wie finanzieren? „Das weiß im Moment nur der Herrgott“, sagt Guardian Pater Thomas (im Bild).
Der Turm ist verstummt. Dass in einem Kirchturm der Franziskaner nichts mehr läutet, mag man als bedrückendes Zeichen verstehen. Denn an einem Gründungsort dieses Ordens, in San Damiano bei Assisi, hatte einst eine Glocke eine spezielle Aufgabe: Waren die Ordensleute – erst Klarissinnen, später Franziskaner – in Not, läuteten sie im Campanile; dann brachten Menschen der Umgebung Speisen und andere hilfreiche Gaben.
In Salzburg können die franziskanischen Glocken nicht mehr läuten. Seit im Herbst des Vorjahres wegen Steinsturzgefahr die Fassade von Turm und Kirche notgesichert werden musste, sind die Glocken still, um jegliche Schwingung des Gebäudes zu vermeiden. Zudem ist die Straßenseite des Hochchors so eingerüstet, dass die Franziskanergasse überdeckt ist.
Der Turm ist wund. „Da rinnt schon überall der Rost heraus“, sagt der auf Kirchensanierungen spezialisierte Baumeister Hermann Aigner, als er das Foto einer Schadstelle auf den Tisch legt. Dies führe zu „Rostsprengungen“. Denn dringe zu den zur Stabilisierung eingesetzten Metallspangen Wasser vor, das noch dazu mit saurem Regen und Taubenkot kontaminiert sei, löse sich das umgebende Konglomerat ab – das passiere abrupt. „Oder hier!“, ruft er und zeigt das Foto eines Ecks, das mit zwei Metallbügeln stabilisiert ist. „Sehen Sie den Riss? Wenn der Brocken herunterfällt, haben wir in der Franziskanergasse einen Krater.“So einen Riss dürfe man nicht mit Mörtel zuschmieren. „Das muss man abnehmen, öffnen, das Eisen herausnehmen und neu armieren.“Ein anderes Foto zeigt ein Gesims, auf dem bei früherer Renovierung drüberbetoniert worden ist. Die Folge: „Der Stein reißt in sich, weil er weicher ist als die Ergänzung aus Beton.“Deswegen löse sich die Betonplatte. „Wenn die herunterkommt –“, da redet Hermann Aigner lieber nicht weiter.
Allerdings beteuert der Baumeister: Seit Herbst des Vorjahres seien Turm und Fassade nicht nur per Schutzgerüst gesichert, es seien im vorigen November auch alle losen Stücke entfernt worden. Für Passanten bestehe also keine Gefahr. Und: Der Turm der Franziskanerkirche ist nicht sturzgefährdet. Im Gegenteil – der spätgotische, laut Kirchenführer von 1486 bis 1498 erbaute Turm ist Hermann Aigner zufolge von guter Bausubstanz.
Die jetzigen Probleme seien an der Oberfläche und hätten sich großteils durch die Renovierung der 1980er-Jahre ergeben – wegen Ausbesserungen mit zu hartem Beton, wegen des Verzichts auf Blechdächer für die Gesimse und wegen der Verwendung rostenden Materials, sagt Aigner. Dies kann nicht behoben werden, indem man ein Seil ums Dach wickelt, an dem Arbeiter baumeln. Vielmehr muss der 87 Meter hohe Turm bis zum Dachansatz eingerüstet werden.
Der Turm wird verhüllt. Noch im Juli würden Ost- und Südseite eingerüstet, damit bis Allerheiligen die erste Hälfte saniert sein könnte. Und zuvor sind die Schäden detailliert zu diagnostizieren, um Methoden, Restaurierungsziel und Kosten im Vorhinein festzulegen. Laut erster ungefährer Schätzung könnte etwa eine Million Euro nötig sein.
Woher kommt das Geld? „Das weiß im Moment nur der Herrgott“, sagt Pater Guardian Thomas Hrastnik und stellt klar: „Wir sind ein Bettelorden, wir haben keine Besitzungen.“Eigentlich werde seit Jahren die längst fällige Sanierung des Klostergebäudes vorbereitet. „Und jetzt das! Wir sind ja Seelsorger und keine ausgebildeten Bauherren!“
Wenn bis Herbst Kalkulationen vorlägen, werde ein Runder Tisch einberufen – mit Vertretern von Stadt, Land, Erzdiözese, Bund und Bundesdenkmalamt, kündigt Hermann Aigner an. Er sei zuversichtlich, dass die öffentlichen Hände in die Stadtpfarrkirche angemessen investierten. „Es besteht ja ein Riesenproblem, wenn Trümmer in die Franziskanergasse fallen.“Und mit jeder Hitze und jedem Frost gebe es im Gestein neue Spannungen.
Doch wird das Geld von Staat und Kirche höchstwahrscheinlich nicht genügen. Also werden ab sofort Spenden gesammelt – etwa am Samstag, 21. Juli, als offenem Tag im Klostergarten. Und: „Wir haben schon ein Turmkonto eingerichtet“, sagt Pater Thomas. Wer steuerabsetzbar spenden will, kann dies über das Bundesdenkmalamt tun.
Übrigens: Auch ein neunter oder zehnter Klosterbruder wäre den Franziskanern willkommen, sagt Pater Thomas und ergänzt: „Gern auch wieder einmal ein Salzburger.“
„Wir können nicht mehr läuten.“ Pater Thomas Hrastnik, Guardian