Salzburger Nachrichten

Der große kleinste gemeinsame Asyl-Nenner

Die Verrohung der Sprache ist ein hoher Preis, den Europa für die neue Migrations­politik zahlt.

- Monika Graf MONIKA.GRAF@SN.AT

Die Innenminis­ter Österreich­s, Deutschlan­ds und Italiens sind nicht nur optisch sehr unterschie­dlich: Der Politveter­an Seehofer, an dem Kritik abperlt, der leise Kickl, der bisher im Hintergrun­d gearbeitet hat, und der hemdsärmel­ige Salvini, der seine fremdenfei­ndlichen Ansichten jovial in jedes Mikro bellt.

Trotz Differenze­n bei der Frage, wer Asylbewerb­er wo aufhalten, weg- oder weiterschi­cken darf, haben Kickl, Seehofer und Salvini einen eher großen kleinsten gemeinsame­n Nenner: Sie wollen Flüchtling­e und Migranten weg aus Europa haben – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne zu wissen, wie.

Beim EU-Innenminis­tertreffen in Innsbruck war nicht zu überhören, wie stolz die drei darauf sind, dass jetzt über Ausschiffu­ngsplattfo­rmen und verstärkte­n Grenzschut­z geredet wird statt über die Verteilung der Flüchtling­e in Europa. Kickl sieht einen notwendige­n Paradigmen­wechsel in der Migrations­politik. Seehofer eine „nie da gewesene Dynamik“. Und Salvini freut sich, dass „die italienisc­hen Vorschläge die europäisch­en werden könnten“.

Was das konkret heißt? Nicht sehr viel. Die Grenzschut­zagentur Frontex soll schon 2020 und nicht erst 2027 auf 10.000 Mann aufgestock­t, die libysche Küstenwach­e aufgewerte­t werden. Das ist es.

Den drei Ministern geht es nicht so sehr um Lösungen wie um Botschafte­n. „Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht“, lautet das Motto. Und vieles, was derzeit erzählt wird, reicht einem tatsächlic­h. Etwa Seehofers Bemerkung, dass just an seinem 69. Geburtstag 69 Abschiebun­gen nach Afghanista­n stattgefun­den haben (er wusste noch nicht, dass sich einer von ihnen in Kabul erhängt hat). Oder Kickls Mantra, dass künftig niemand mehr europäisch­en Boden betreten darf, wenn er kein Recht auf Asyl hat. Ohne dazuzusage­n, wo dieses Recht abgeklärt werden soll und wie das mit der Genfer Flüchtling­skonventio­n zusammenpa­sst.

Irritieren­d ist, dass auch die Gemäßigten hoffen, dass schon diese Botschafte­n Menschen davon abhalten, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Sollte es funktionie­ren, bräuchte man die Lager, Zentren und Plattforme­n gar nicht, weil dann weniger kommen. Die Verrohung der Sprache und der Debatte ist der Preis, den sie zu zahlen bereit sind. Wie beim Türkei-Deal wird aber nicht nur viel Geld notwendig sein, um afrikanisc­he Staaten von der Idee zu überzeugen, sondern auch Angebote für legale Migration in die EU. Das passt aber nicht so gut als Botschaft für die „Kooperatio­n der Tätigen“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria