Der große kleinste gemeinsame Asyl-Nenner
Die Verrohung der Sprache ist ein hoher Preis, den Europa für die neue Migrationspolitik zahlt.
Die Innenminister Österreichs, Deutschlands und Italiens sind nicht nur optisch sehr unterschiedlich: Der Politveteran Seehofer, an dem Kritik abperlt, der leise Kickl, der bisher im Hintergrund gearbeitet hat, und der hemdsärmelige Salvini, der seine fremdenfeindlichen Ansichten jovial in jedes Mikro bellt.
Trotz Differenzen bei der Frage, wer Asylbewerber wo aufhalten, weg- oder weiterschicken darf, haben Kickl, Seehofer und Salvini einen eher großen kleinsten gemeinsamen Nenner: Sie wollen Flüchtlinge und Migranten weg aus Europa haben – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne zu wissen, wie.
Beim EU-Innenministertreffen in Innsbruck war nicht zu überhören, wie stolz die drei darauf sind, dass jetzt über Ausschiffungsplattformen und verstärkten Grenzschutz geredet wird statt über die Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Kickl sieht einen notwendigen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik. Seehofer eine „nie da gewesene Dynamik“. Und Salvini freut sich, dass „die italienischen Vorschläge die europäischen werden könnten“.
Was das konkret heißt? Nicht sehr viel. Die Grenzschutzagentur Frontex soll schon 2020 und nicht erst 2027 auf 10.000 Mann aufgestockt, die libysche Küstenwache aufgewertet werden. Das ist es.
Den drei Ministern geht es nicht so sehr um Lösungen wie um Botschaften. „Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht“, lautet das Motto. Und vieles, was derzeit erzählt wird, reicht einem tatsächlich. Etwa Seehofers Bemerkung, dass just an seinem 69. Geburtstag 69 Abschiebungen nach Afghanistan stattgefunden haben (er wusste noch nicht, dass sich einer von ihnen in Kabul erhängt hat). Oder Kickls Mantra, dass künftig niemand mehr europäischen Boden betreten darf, wenn er kein Recht auf Asyl hat. Ohne dazuzusagen, wo dieses Recht abgeklärt werden soll und wie das mit der Genfer Flüchtlingskonvention zusammenpasst.
Irritierend ist, dass auch die Gemäßigten hoffen, dass schon diese Botschaften Menschen davon abhalten, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Sollte es funktionieren, bräuchte man die Lager, Zentren und Plattformen gar nicht, weil dann weniger kommen. Die Verrohung der Sprache und der Debatte ist der Preis, den sie zu zahlen bereit sind. Wie beim Türkei-Deal wird aber nicht nur viel Geld notwendig sein, um afrikanische Staaten von der Idee zu überzeugen, sondern auch Angebote für legale Migration in die EU. Das passt aber nicht so gut als Botschaft für die „Kooperation der Tätigen“.